Die biblische Offenbarung – Nadelöhr göttlicher Kommunikation – Ein Überblick der trinitarisch-kommunikativen Grundlagen in Bezug auf die Wissenschaft der Bibelübersetzung
Eberhard Werner
Inhalt
Die biblische Offenbarung – Nadelöhr göttlicher Kommunikation. 1
Ein Überblick der trinitarisch-kommunikativen Grundlagen in Bezug auf die Wissenschaft der Bibelübersetzung 1
Abstract 1
Aufbau. 1
Einleitende Gedanken – Kommunikationswege. 2
Die Selbstoffenbarung. 4
Heilige Schrift – Anthropos und Theos. 5
Das Nadelöhr göttlicher Kommunikation. 7
Missiologische Überlegungen. 10
Erlebte Kommunikation. 12
Kirchengeschichtlicher Rückblick – Kommunikationsgedanke. 13
Zusammenfassung. 14
Abstract
Die Heilige Schrift vermittelt uns unterschiedliche Wege wie sich die göttliche Transzendenz in vorbiblischen, vorchristlichen, vorkanonischen und kanonischen Zeiten dem Menschen geoffenbart hat. Das geoffenbarte Konzept der Drei-Einigkeit oder Trinität des jüdisch-christlichen Gottes spielt dabei eine wichtige Rolle. Jedoch darf dieses theologische Theorem als biblische Wahrheit nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich um ein rein relationales Gefüge handelt. Die beziehungsrelevante Kategorie des geoffenbarte Wesens Gottes wird unter anderem von den Kommunikationsformen und –wegen her erklärlich. Das Ereignis der Menschwerdung (Inkarnation), in der Herablassung (Kondeszenz) und der Entäußerung oder Entleerung (Kenosis) des göttlichen Gegenübers in persona, sowie der Bildung des Kanon im Kontext der gesamten heilsrelevanten Geschichte stellt einen vorläufigen Höhepunkt göttlicher Offenbarung dar, den man als kommunikatives Nadelöhr betrachten muss. Das „Davor“ und das „Nachher“ der Mitteilungswege dieser göttlichen Offenbarung bildet die Grundlage für die Wissenschaft der Bibelübersetzung. Die biblischen Kanons in ihren derzeit präsenten Formen, sowie die sie begleitenden und beschreibenden Schriften, formen die Basis unseres Gottesbildes. Diese Kanons fußen als Grundlagentexte auf der Grundlage der Textkritik. Sie verengen die göttlichen Mitteilungsmuster auf den impliziten und expliziten kommunikativen Gehalt des Bibeltextes. Aus diesem Grund ist die Wissenschaft zur Bibelübersetzung angehalten sich der Vielfalt der Möglichkeiten zur Übertragung kommunikativer sakral-göttlicher Inhalte bewusst zu werden und dem Rezeptor / Empfänger, sowohl die Übertragungswege, als auch die Bedeutungsoptionen des / der biblischen Texte(s) nahe zu bringen. Das uns zugängliche Wesen Gottes ist in diesen Übertragungs- und Kommunikationswegen beschrieben.
Aufbau
Im ersten Teil werden Kommunikationswege in der Hebräischen Bibel und dem Neuen Testament betrachtet, mit denen sich die göttliche Transzendenz auf mündlich tradierende oder schriftliche Weise der Menschheit, Teilgruppen oder Individuen näherte.
Im zweiten Teil wird die Funktion wie ein Nadelöhr / Verengung dieser Offenbarungswege auf die Kanonisierung und Niederschrift der Heiligen Schrift betrachtet, sowie die Bedeutung dieses Vorganges für Gemeinde und Kirche.
Im dritten Teil geht es um die daraus resultierenden missiologischen Konsequenzen1Dieser Artikel fußt auf der Arbeit Bibelübersetzung in Theorie und Praxis (Kovac Verlag, 2011)
Einleitende Gedanken – Kommunikationswege
Die Trinität, Drei-Einsheit, Drei-Einheit oder Drei-Einigkeit stellt ein theoretisches Konzept dar, welches sich aus den biblischen Berichten ableiten, jedoch nicht logisch begreifen lässt. Sie bleibt ein Geheimnis, welches sich im Glauben (πίστις, pistis) und Verstehen (σύνεσις, synesis) im Gläubigen manifestiert. Sie bezeugt einen Beziehungsaspekt, in welchem sich sowohl Gottes innere Liebesbeziehung zwischen seinen Offenbarungsformen (hypostasen oder persona) zeigt (ad intra), wie auch die nach außen wirkende Liebesbeziehung zum Menschen (ad extra). Letztere ist versinnbildlicht in der Beziehung zu seinem in menschlicher Form Gesandten (Messias, Christus). Die kommunikativen Formen und Wege, die diese trinitarische Offenbarung im biblischen Zeugnis nimmt, deuten auf die nach außen gerichtete sich offenbarende Seins-weise Gottes hin. Anhand dieser Kommunikationswege soll untersucht werden, welche kommunikative Stellung dieser geoffenbarte Gott zum Menschen hat und wie er sich ihm nahe bringen will. Die nicht-geoffenbarten Wesenszüge der Transzendenz bleiben verborgen und bilden das unauflösbare Geheimnis oder Mysterium des Schöpfers. Die göttliche Offenbarung, die Bibel, repräsentiert das einzige Zeugnis.
Kommunikationswege, welche aus der göttlich-transzendenten Sphäre in den human-physikalischen Bereich des Menschen hinein, in der Bibel beschrieben sind umfassen:
- Mündliche Traditionen auch bekannt als oral-aurale Übertragung (Hörensagen), wie z. B. in Jer 23:27.
- Schriftliche Offenbarungen, wie z. B. die Ich-Worte: Ich sage euch, Ich bin … (z. B. 2Mose 4:23; Jes 46:10; Mk 14:62; Joh 6:35).
Als Adressaten galten dabei Individuen (z. B. Mose, Abraham), Teilgruppen (z. B. Familien, Stämme etc.) oder ganze Völker (z. B. Israel, Assyrer, Babylonier). Solche Wege lassen sich unterscheiden in:
- das direkte Reden Gottes (Direktoffenbarung)in Form der Stimme Gottes (z. B. 2Mose 3:16 im Dornbusch gegenüber Mose),
- durch Träume (1Mose 40:16) oder Visionen (Hes 8:4).
- das indirekte Reden (Teiloffenbarung),in Schriften (2Mose 32:16),
- durch Boten (1Mose 16:9),
- Propheten (Jes 38:1; Hebr 1:1-2),
- ernannte Jünger (1Petr 1:1) und
- gewöhnliche Menschen (Joh 4:39).
Der Terminus Direktoffenbarung, darf nicht darüber hinweg täuschen, dass sich in der Heiligen Schrift der Gott Israels nie in seiner Gesamtheit zeigte. Jakob und Mose hatten die großzügigste Offenbarungserfahrung, da sich ihnen Gott in persona (lat. für ‚Maske‘; 1Mose 32:31 und 2Mose 33:23) näherte. Jedoch sollte die Formulierung „von Angesicht zu Angesicht“פָּנִ֣ים אֶל־פָּנִ֔ים nicht überstrapaziert werden, da der gesamtbiblische Kontext deutlich macht, das niemand Gott in seiner Gesamtheit wahrnehmen kann (z. B. Joh 1:18; 1Kor 2:11; 1Joh 4:12). Es scheint sich hierbei, um eine außergewöhnliche Form der Offenbarung gehandelt zu haben, die es Jakob und Mose ermöglichte die Grenze zwischen Heiligkeit und Profanität zu überschreiten. Ob es sich bei dieser Grenzüberschreitung um metaphysische oder physikalische Ereignisse handelte bleibt offen. Anders ausgedrückt, ob hier Menschen sich dem Stand Gottes näherten oder ob sich die göttliche Transzendenz dem Stand der Menschen annäherte ist nicht genauer beschrieben.
Eine andere Kategorisierung der Kanäle der Kommunikation orientiert sich an der (Aus-) Richtung,
- die Kommunikation auf horizontaler (Mensch-Mensch; Gemeinde) und vertikaler (Mensch-Gott, Gott-Mensch) Ebene,
- der soziale Bezug der Gemeinde nach außen (soziologische Ausrichtung),
- die religiös bedingte psychologisch-kognitive Ebene.
Diese Einteilung bietet sich an, um in den Bereichen Theologie und Missiologie zwischen pragmatischen Erwägungen (erste Ebene oben) und einem interdisziplinären theoretischen Modell (letztere Ebene) zu unterscheiden.
Alle Beispiele der göttlichen Offenbarung treten aufgrund ihrer mündlichen oder schriftlichen Tradierung (Fixation) ins Bewusstsein der Menschheit oder Weltgewissen (manchmal auch Weltbewusstsein). Im Rahmen der Traditionsgeschichte werden auch unerklärliche Ereignisse zu kommunikativen Erfahrungen, welche im weiteren einen festen Bestandteil der globalen Erfahrung im kommunikativen Bereich darstellen. Mit anderen Worten, obwohl manche Abläufe der Kommunikation aus der biblischen Offenbarung einzigartig sind, z. B. der brennende Dornbusch aus dem heraus eine Stimme spricht (2Mose 3:2), tritt dieses Ereignis durch seine Erscheinung in der Heiligen Schrift ins Bewusstsein des Menschen. Offenbarung beinhaltet einen konservierenden Bestandteil der sich der kritischen Auseinandersetzung in der menschlichen Prüfung auf Wahrheit und Relevanz stellt. Dies ist theologisch und missiologisch bedeutsam, da in apologetischen Abhandlungen der kommunikative Hintergrund des Gesprächspartners zu berücksichtigen ist, wie z. B. den islamischen kommunikativen Erfahrungsbereiches im Dialog mit Muslimen und umgekehrt. Der Vorgang des Offenbarens wird heute durch die Schriftoffenbarung des biblischen Zeugnisses verengt. Bevor wir darauf eingehen, gilt es die heilgeschichtlich bedeutsame Selbstoffenbarung des Gottes Israels (Hebräische Bibel) und der Beziehung zur Welt in Christus (Hebräische Bibel und Neues Testament) zu untersuchen.
Das Wissen über die göttlichen Kommunikationswege und den Inhalt der Offenbarungen ergibt sich aus der biblischen Offenbarung selbst. In diesem Sinne formt die Heilige Schrift sowohl das Kommunikationsmittel, als auch die Informationsquelle über die darin geoffenbarte Kommunikation. Dieser inhärente Zirkelschluss ergibt sich aus jeder religiösen Offenbarung, die sich auf eine sphärenüberschreitende Quelle beruft. Aus kommunikativer Sicht wird der Mensch dadurch zum passiven Empfänger, Zieladressaten und Objekt der Kommunikation der Offenbarung, aber aktiver Partner der Kommunikation im Gebet, der Bibellese und Verkündigung der Offenbarungsinhalte (s. u.).
Die Selbstoffenbarung
Um die Zeitenwende der westlichen Welt, offenbarte sich der Gott Israels, der sich selbst als אֶֽהְיֶ֖ה (2Mose 3:14) bezeichnet im inkarnierten Jesus von Nazareth. Dieser „Ich BIN“ führt sich zurück auf das Tetragrammaton (484a) יהוה (yhwh; TWOT2TWOT [1971] 1980 und 2010. Harris, Laird R., Archer, Gleason L. Jr. & Waltke, Bruce K. The Theological Wordbook of the Old Testament. Chicago: Moody Press of Chicago. Also on BibleWorks 8.0. [DVD].) wie es dem Propheten Mose geoffenbart wurde. Die in der Hebräischen Bibel auf eine Ein-Personenteilung (Einsheit in Vielfalt) hinweisenden Attribute sind:
- „uns/ wir“ (1Mose 1:26 und 11:7; z. B. „lasst uns Menschen machen“);
- der „Geist Gottes“ (1Mose 1:2; 1Sa 10:10; 12x; „ich will meinen Geist senden“ Jes. 44:3)
- „der Engel des Herrn“ (1Mose 16:7; 2Mose 22:23; 164x).
Diese in der Hebräischen Bibel angedeutete Mehrfachausrichtung oder besser Dreiteilung der Person יהוה auf mehrere Aufgaben- oder Offenbarungsbereiche hinein, realisiert sich auch im Neuen Testament konkret in der Kondeszenz (Herablassung) und der Kenosis (Entäußerung) Gottes in Jesus von Nazareth.
Es zeichnet sich eine dreifache Ausrichtung für die Person Gottes im Neuen Testament ab. Die drei persona (s. o.) des NT sind hauptsächlich im Bild des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes angedeutet. Dabei wird das (jüdische) Bild der Kernfamilie und der damit verbundenen engsten zwischenmenschlichen Beziehung des Vaters zum Sohn aufgegriffen. Da Gott in der Antike mehrheitlich als männlich gedacht wurde, trat die in der Realität durchaus engere Beziehung der Mutter zum Kind zugunsten des Vaters zurück (Erziehungs- oder Familienbild). Andere Bilder der Relation werden im Verhältnis Richter, Begnadigter und Beistand (juristisches Bereich) oder Lehrer, Schüler und Meister (Bildungsbereich) oder Kommandant, Soldat und Oberbefehlshaber (militärischer Bereich) ausgedrückt. Innerhalb dieser relationalen Bilder der Beziehungen bleiben die Kommunikationswege immer gleich, da die autoritären Strukturen maßgeblich sind. So ist der Vater dem Sohn, der Richter dem Angeklagten, der Lehrmeister dem Jünger und der Kommandant dem Soldaten übergeordnet und weisungsbefugt.
Die biblische Offenbarung realisiert sich im Übergang von der Hebräischen Bibel zum Neuen Testament oder besser gesagt von der Beziehung zum Volk Israel hin zur globalen Kirche in der bis dato weltgeschichtlich einmaligen Erscheinung des angekündigten Messias. Im Einzelnen drückt sich dies aus durch:
Die substantielle physische Fleischwerdung (Inkarnation) des Jesus von Nazareth. Sie verweist auf ein Annäherungsangebot des bis dahin überwiegend unnahbaren transzendenten Schöpfers (Ausnahme die Propheten Mose, Eliah und König David).
Die Herablassung (Kondeszenz) der Göttlichkeit und der damit verbundene Sphärenübertritt. Dies verweist auf die Stoßrichtung vom metaphysischen in den physikalischen Raum des Menschen. Wohl aber ist die umgekehrte Richtung in der Auferstehung und Himmelfahrt zu erkennen. Einer bis dahin und auch heute wieder gedachten umgekehrten Richtung von Menschen, die aus eigener Anstrengung vom physikalischen in den metaphysischen Raum hinein gelangen könnten, wie z. B. im Hinduismus, wird in der Kondeszenz eine Absage erteilt.
Die physische Entleerung (Kenosis) des Jesus von Nazareth verweist auf die Notwendigkeit und Dringlichkeit des menschlichen Reagierens auf das Heilsangebot zu einer von Gott bestimmten Zeit (ἐκένωσεν ekénōsen Phil 2:7). Jesus bildet das Vorbild, da er sich Gott völlig unterordnete indem er seinen Willen entleerte um dem Vater ganz zur Verfügung zu stehen.
In Summe bedeuten diese Vorgänge, dass sich der Offenbarungsvorgang vom Offenbarer (יהוה, θεος, κυριος) zum Geoffenbarten ausrichtet. Der biblische Bericht erzählt davon, dass sich Gott dem Menschen offenbarte. Wie aber verhält es sich dabei mit den Kommunikationswegen? Sind diese dem Menschen zugänglich, oder ist er völlig dem Offenbarungswillen der göttlichen Transzendenz ausgeliefert, wie dies z. B. in Träumen oder Visionen geschah? Wie kann der Mensch antwortend agieren oder reagieren? Diese Fragen aus der Kommunikation werden nun behandelt.
Heilige Schrift – Anthropos und Theos
Um die gestellte Frage zu beantworten, bedarf es eines kleinen Umweges zum Ursprung der Schriftoffenbarung. Schriftoffenbarung stellt ein Zusammenspiel zwischen göttlichem und menschlichem Wirken dar. Zwei Szenarien sollen das verdeutlichen:
Wir realisieren eine weitaus umfangreichere Gottesoffenbarung.
Nehmen wir an – und das ist durchaus realistisch – das die uns vorliegenden Schriftbeweise zur Heilsgeschichte nur einen Bruchteil dessen darstellen, was tatsächlich von diesem Gott über seine Person geoffenbart wurde und auch zur Niederschrift kam.
Hinzu kommt der umfangreiche Verlust mündlicher Traditionen über diesen Gott der Israeliten und dem Gesandten Jesus von Nazareth, wie es sich weltweit in der Literaturgeschichte auch über kurze Zeiträume hinweg beobachten lässt.
Es ist anzunehmen, dass die uns vorliegenden Schriften in sich Kürzungen – vielleicht auch schon zu Lebzeiten der Autoren – darstellen.
Einen Kontrast hierzu bilden,
- die Inlibration des Koran, welche sich aus einer Uroffenbarung ableitet, die sich im vorliegenden Korantext widerspiegelt und deshalb, so die These, keinen menschlichen, sondern einzig göttlichen Informationsgehalt transportiert,
- auch das Buch Mormon als Steinhauchung eignet sich solche Göttlichkeit zu,
- denkbar wäre natürlich auch eine globale Direktoffenbarung an alle Menschen wie dies in der Meißelung der Gebote in Stein (5Mose 4:13 und 5:22) und der Schrift an die Wand für Belschazzar geschah (Dan 5:5).
Alle diese Ansätze (a-c unten) liegen jedoch bis jetzt außerhalb des menschlichen Zugriffsbereiches und sind spekulativ, da weder eine Verfügung über
- eine göttliche Uroffenbarung (a unten; Produkt göttlicher Gedankenwelt),
- den Offenbarer / Haucher (b unten; Vorgang der Offenbarung),
- noch auf seine globale Wirkkraft (c unten; Gott bleibt unzugänglich) besteht.
Die menschlichen Autoren waren sich ihrer Verantwortung bewusst, und trotzdem mussten sie sich aus
- persönlichen (z. B. Rücksicht auf ihr Umfeld, Gesundheit),
- ökonomischen (z. B. Schriftmaterial, Finanzen, Ansehen in der Gesellschaft) oder
- zeitbedingten (z. B. fehlende Vorstellungskraft für Zukunft, Erziehungssystem),
Gründen auf eine Auswahl begrenzen. Als Beispiel kann hier der uns vorliegende Schriftbeweis der Propheten der Hebräischen Bibel dienen. Es ist anzunehmen, dass die sogenannten „kleinen Propheten“ inhaltlich und von ihrer Bedeutung her durchaus im Umfang an Offenbarung mit den „großen Propheten“ mithalten hätten können. Nichtsdestotrotz haben die oder der Verfasser eines jeweiligen Buches eine Auswahl getroffen und so eine – wenn auch verantwortungsbewusste – Kürzung hingenommen. Die „großen Propheten“ hingegen wurden umfassender berücksichtigt. In dieser Auswahl oder Erscheinung eines Buches reflektiert sich auch die Persönlichkeit eines Propheten. Im Hinblick auf dieses Zusammenspiel muss der Mensch, als Individuum und als Corpus Christi (alle Gläubigen), als letztendlicher Filter für die heute vorliegende Textvorlage des Kanons der Hebräischen Bibel und des Neuen Testaments gelten. Die Frage der Herausbildung des Kanons und der Inspiration des biblischen Textes wird hierbei aus rein anthropozentrischer Sicht betrachtet, da die göttliche Wirkkraft dem Menschen nicht zugänglich ist. Trotzdem bleibt die Heilige Schrift ein sakrales Werk, da sie sich auf den Urheber der Offenbarung und damit dem Bereich des Heiligen zurückführt. Einer Profanisierung ist der Text nicht ausgeliefert, da der Inhalt in sich den Bereich des Nicht-Profanen oder Heiligen / Sakralen beschreibt.
Um die obige Frage nun zu beantworten, wie es sich mit den göttlich-menschlichen Kommunikationswegen verhält, erfüllt der Text zum einen in sich selbst alle Kriterien menschlicher Kommunikation und trägt zum anderen immanent den Stempel göttlicher Selbstoffenbarung.
Es ergibt sich aber eine neue Herausforderung, nämlich die der Bedeutung dieses Textes als göttlichen Ursprungs und seiner Transformation in eine schriftliche kommunikativ-informative Offenbarung.
Das Nadelöhr göttlicher Kommunikation
Bis dato konnte festgestellt werden, dass die Weitergabe kommunikativer Inhalte sich sowohl auf den transzendenten Urheber, der sich menschlicher Kommunikationswege bediente, wie auch auf den menschlichen Autor stützt. Mit der Manifestation des (biblischen) Kanons, welcher sich im Verlaufe der Reformation für die westliche Kirche endgültig konstituierte, jedoch bereits ab dem
Nadelöhr / Filter Heilige Schrift
4. Jh. relativ stabil zeigte, wird dem Menschen die volle Verantwortung zur Verwaltung der Offenbarung übertragen. Die Heilige Schrift, stellt die Summe aller Kanons als Kanon dar und wirkt seither für die weltweite Kirche wie ein Nadelöhr oder Filter. Das bedeutet, dass die Gemeinde und Kirche anhand dieses sichtbaren Kontrollwerkzeuges über die weiterreichende und unsichtbare göttliche Offenbarung verfügt, zum einen als Hüterin der Schrift und zum anderen als Verantwortliche zur Indigenisierung derselben, in allen Volks- und Sprachgruppen dieser Welt. Letzteres natürlich nur da, wo Glaube auf fruchtbaren Boden fällt. Dem Nicht-Glaubenden ist es nur ein Buch. Mit der Heiligen Schrift werden Aussagen über oder von Gott gefiltert. Aus dem Schriftbeweis nicht ableitbare Erkenntnisse oder Inhalte fallen unter die bewusst gewollte Schriftzensur. Dabei verengt sich die wesentliche umfangreichere vor-kanonische Offenbarung im Verlaufe der Kirchengeschichte auf den für die jeweilige Kirche relevanten als Kanon akzeptierten Text. So sieht sich eine römisch katholische Kirche den Apokryphen und Pseudepigraphen verpflichtet, während andere Kirchen wie die Protestantische auch innerhalb der in der Regel allgemein akzeptierten 66 Büchern der Martin Luther Bibel graduell unterscheidet und den Büchern unterschiedliche Wertigkeiten beimisst (z.B. mindere Bedeutung des Hebräer- und Jakobusbriefes). Die römisch katholische Kirche und die orthodoxen Kirchen des Südens und des Osten folgen meist dem Text der Septuaginta und beinhalten zusätzlich zu den 39 Büchern des protestantischen Kanons der Hebräischen Bibel noch:
- Geschichtsbücher: Esdras (3Esra), 2. Esdras (Esra), Esther (mit Zusätzen), Tobit, Judith, 1Makk, 2Makk, 3Makk.
- Bücher der Weisheit: Weisheit, Sirach.
- Große Propheten: Baruch, BrJer = Brief des Jeremia, Ez, Dan (mit Zusätzen)
- Apokryphen oder Zusätze: Oratio Manasse, 3Esra, 4Esra, Psalm 151
Zusätzlich zu den 27 Büchern des protestantischen Kanons des Neuen Testaments haben diese Kirchen folgende kanonische Bücher:
1. und 2. Clemensbrief, die Didache, der Barnabasbrief, der Hirte des Hermas, das Hebräerevangelium, die Offenbarung des Petrus.
Diese kirchengeschichtliche Entwicklung allein weist bereits auf den wesentlichen Anteil und Beitrag des Menschen hin. Hinzu kommt die Frage der Bildung des Kanon, die sich
- zum einen auf die Auswahl der Bücher (Anerkennungs- oder / und Ablehnungsprozess),
- zum anderen die Auswahl der Texte aus dem Gesamtpool der vorhandenen Textmanuskripte (Textkritik) und
- zuletzt auf die Endredaktion bzw. Festlegung des Kanon und seiner Anerkennung bezieht (Kirchengeschichte).
Die mit diesen Prozessen verbundenen ungeklärten Fragen, des bis heute offenen globalen gesamtkirchlichen Kanons, können hier nicht diskutiert werden, bilden aber hochbrisante Themen die den menschlichen Einfluss auf die Herausbildung und Gestaltung des Kanon noch zusätzlich untermauern.
Es ist an dieser Stelle darauf hin zu weisen, dass es sich um eine temporäre Verengung der Kommunikationswege handelt, welche spätestens bei einer weiteren persönlichen Direktoffenbarung des Christus auf alle erdenklichen kommunikativen Formen erweitert wird (z. B. Wiederkunft des Messias). Auch würde eine Zustandsveränderung, d. h. in einen substantiell physisch neuen Körper, wie es in der Auferstehung vorgesehen ist die Bedingungen verändern. Eine solche Zustandsänderung wäre z. B. in der sofortigen Gegenwart der lebenden und verstorbenen Gläubigen in die direkte Präsenz des biblisch offenbarten Gottes zu sehen , wie dies als Präzedenzfall der sogenannten Entrückung angedacht wird. Dies wird durch den Todesfall eingeleitet und zeigt sich im tausendjährigen Reich bei der Wiederkunft Christi. In der direkten Gegenwart Gottes findet nach der göttlichen Offenbarung auch direkte Kommunikation statt (z. B. Offbg. 7:9-11), die neuen Bedingungen unterliegt und nicht der Schriftoffenbarung nachgeordnet ist.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass die Erdenzeit des Jesus von Nazareth (30-36 Jahre) die allumfassende kommunikative Darstellung Gottes beinhaltete, er sich jedoch aufgrund der durch die zeit- und heilsgeschichtlichen Verengung im biblischen Kanon auf eine Auswahl an Information für die Nachwelt beschränkt. Als Beistand und Überbrücker der Lücke fungiert der Geist Gottes, der sich jedoch wieder dem Nadelöhr der schriftlichen Offenbarung unterwirft, d. h. der Gläubige hat an diesem Schriftbeweis zu ermessen, was göttlichen Ursprungs ist.
Aus kommunikativer Sicht hat sich die Heilige Schrift im Rahmen der Kirchengeschichte und spezifisch für die Kirche zu einem Nadelöhr entwickelt, welches als Filterelement kommunikativer Vorgänge nicht nur
- selbst ein Kommunikationsmittel darstellt (übersetzungsspezifische Funktion), sondern auch
- Kommunikationsprozesse steuert und kontrolliert (innerkirchliche Funktion) und
- kommunikative Vorgänge voran bringt (menschlich-göttliche Kommunikation).
Den Begriff der Verengung darf man nicht so verstehen, als wolle die Offenbarung den Menschen begrenzen, sondern durch diese Konzentration auf eine schriftliche Offenbarung ist der Weg für andere Offenbarungswege möglich (z. B. Vision, Schöpfung, Traum, Prophetie etc.), die sich an dieser fixierten Form messen lassen. Der Heilige Geist treibt die Kirche als Corpus Christi dazu an die Prüflatte an diese drei kommunikativen Funktionen (1.-3.) anzusetzen.
Der Bibeltext ist in sich ein geschlossenes Offenbarungswerk welches zentripetal auf seinen geistlich-informellen Kern hinweist und dazu einlädt sich mit diesem auseinanderzusetzen. Diese einladende Wirkung geht von der Faszination über die Person und Wirkung des Jesus von Nazareth aus. Zeitgleich wirkt die biblische Offenbarung zentrifugal als welthistorisches Dokument. Es berichtet über die Kulturen der Antike und den religiösen Gedanken der Erwählung als kirchen- und menschheitsgeschichtlicher Nachweis. Im Rahmen dieser informell-heilsgeschichtlichen Funktion beinhaltet die Heilige Schrift ein implizites Mandat zur Kommunikation und Übersetzung. Ein solches bezieht sich auf alle Sprachen und Kulturen dieser Welt um kontextualisierte Kirchenstrukturen zu ermöglichen. In Anlehnung an die Enkulturation einer Person in ihrer muttersprachlichen Kulturgruppe, stellt die Heimischwerdung der Botschaft (Indigenisierung) über die Realisierung des Reiches Gottes in die jeweilige Kultur- und Sprachgruppe eine parallele Entwicklung dar.
Durch die Verengung des göttlichen Angebotes an Informationen und der Kommunikation anhand des Prüfsteins des biblischen Kanons wird die Heilige Schrift zum bibliozentrischen Mittelpunkt kirchlichen Lebens. Sie stellt die ultimative Norm dar, an welcher sich ideologische Entwicklungen, das kirchliche Lebens, die Ausrichtung des Diakonats und die Auslegung in der Theologie messen lassen müssen (s.o.).
Die Vermittlung geistlicher Wahrheiten und Erkenntnisse beruht auf den Disziplinen der Theologie, der Hermeneutik, der Homiletik, der Exegese und der Hilfsdisziplinen, Soziologie, Linguistik, Philosophie, Psychologie und der Wissenschaften zur Kommunikation und Übersetzung. Das bindende Glied dieser Fachrichtungen stellt die göttliche Offenbarung dar, welche die interdisziplinäre Kommunikation und Forschungstätigkeit vorantreibt. Ihre mitteilende Funktion, informativ und appelativ, wird zum einen aus ihr selbst heraus (Eigenwirkung der Offenbarung) und zum anderen über die Kirche transportiert, als deren Werkzeug der Proklamation (Verkündigung und Auslegung).
Missiologische Überlegungen
Bis hierhin konnte festgestellt werden, dass ein trinitares Modell der Kommunikation auf der Bedeutung der biblischen Offenbarung sowohl als Träger der Kommunikation und als auch als deren Vermittler beruht. Dabei verengt sich die göttliche Kommunikation im Rahmen der Selbstoffenbarung auf den Kanon und dessen filternder Funktion. Der Sphärenwechsel im Ereignis der Inkarnation, der Kondeszenz und der Kenosis durch Jesus von Nazareth schattet die missiologische Ausrichtung des Reiches Gottes voraus. Dies spiegelt sich in der Missio Dei in der Missio Christi und der Missio Spiritus wider. Die Missio Dei beschreibt den weiteren Rahmen der Selbstsendung Gottes, sowie den weltweiten Sendungsauftrag der Kirche im Rahmen der Christlichen Entwicklungshilfe und ihrer theoretischen Grundlagen aus der Missiologie (s. u.). Die Missio Christi beschreibt und treibt das methodologische Konzept des Reiches Gottes voran. Die Missio Spiritus beschreibt den theologischen Rahmen, in welchem sich der Gläubige bewegt und die er in Diakonat und Christlicher Entwicklungshilfe in die Praxis umsetzt. Dieses dynamische Bild der dreifachen Sendung stellt eine Relation dar und kann nicht gegeneinander ausgespielt oder aufgewogen werden. Das bedeutet, dass alle drei Sendungsbereiche ineinander fließen und sich gegenseitig ergänzen und niemals ausschließen.
Der theologisch-missiologische Rahmen, die Missio Dei, ist Teil und Inhalt des methodologischen Vorantreibens der Sendung, dargestellt im Konzept der Missio Christi. In gleicher Weise ergänzen beide die praktische Umsetzung dieser Rahmen und Methoden in der christlichen Entwicklungshilfe, das ist die Missio Spiritus. Entsprechend der Verflechtungen und des ineinander gewoben seins der Trinität kann dieses Mysterium nicht aufgelöst werden. Dies gilt im Übrigen auch für die folgende kommunikative trinitarische Interpretation wie sie eine nach außen gekehrte Darstellung versinnbildlicht.
Das Modell der dreifachen Sendung findet seine kommunikative Realisierung in der 1. Communicatio Dei, 2. der Communicatio Christi und 3. der Revelatione Spiritus.
Die Communicatio Dei reflektiert dabei den missiologischen und theologischen Rahmen innerhalb dessen sich die Mitteilung der Transzendenz und seiner Manifestierung bewegt. Hierzu gehört das Gesamtpaket des schriftlichen, mündlichen und im Hören offenbarten Spektrums des göttlichen Gegenübers.
Die Communicatio Christi beschreibt das in der Fleischwerdung (Inkarnation), Herablassung Gottes (Kondeszenz) und in der Entleerung des Jesus von Nazareth (Kenosis) geoffenbarte Wesen und die eigen-Initiative Methodik der Transzendenz sich der menschlichen Kommunikationswege zu bedienen (vertikal-horizontale Achse). Dies ist einzigartig in der Menschheitsgeschichte, da sich ansonsten Religionen der menschlichen Kommunikationswege nur bedienen, um sich der Gottheit(en) zu nahen (horizontal-vertikale Achse).
Die Revelatione Spiritus beschreibt die Umsetzung kommunikativer Mittel, um das Individuum, die Gruppe oder ganze Ethnien mit dem Reich Gottes Gedanken zu konfrontieren. Da sich dies auf alle nur erdenklichen Kommunikationswege erstreckt (Träume, Prophetien, Visionen, Selbstoffenbarungen, Anreden, etc.), verengt und begrenzt sich die Revelatione Spiritus auf den Kanon der Heiligen Schrift (s. obige Abbildung).
Dieses Argument der Nadelöhr-Funktion soll hier noch einmal näher und auf seine kommunikative Bedeutung hin betrachtet werden.
Mit der Verengung der göttlichen Offenbarung auf die Heilige Schrift wurde die Verantwortung zur Verwaltung der Kirche und ihrer Instrumentarien auf den Menschen übertragen. Hierzu gehören der Umgang und die Verbreitung des geoffenbarten Wortes, sowie die persönliche Umsetzung der ethischen und theologischen Prämissen. Aus der vorher einseitigen Ansprache des Menschen durch die Transzendenz ergibt sich seither eine doppelte Verantwortung:
Zum einen die Aufrechterhaltung der vertikalen kommunikativen Achse mittels Gebet, des Gehorsam und der Aufmerksamkeit hinsichtlich der göttlicher Offenbarung (christofugal).
Zum anderen die horizontale kommunikative Achse innerhalb der Kirche und zu außerkirchlichen Kreisen im Hinblick auf die Geschwister- und Nächstenliebe im Rahmen des Diakonats und der Christlichen Entwicklungshilfe (christopetal).
Die Communicatio Dei umfasst aus diesem Modell heraus nicht nur die missio interna, sondern auch die missio externa. Inwiefern sich das Modell oder das Verständnis der Missio Dei dadurch verschiebt ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung, jedoch wäre es nicht stimmig die Missio Dei als übergeordnete Einheit zu betrachten, da sie einen transparent-durchlässigen Rahmen bildet, der dynamisch in die dreifache Sendung eingewoben ist.
Erlebte Kommunikation
Das hier vorgestellte Modell der Kommunikation in Missiologie und Theologie wirkt ebenso in die Bereiche Kirchengeschichte, die Wissenschaft zur Bibelübersetzung, den Bibelwissenschaften (Exegese, Hermeneutik) und der Homiletik hinein. Darüber hinaus werden im Rahmen der Wissenschaft zur Bibelübersetzung die Ethnologie, die Linguistik, die Soziologie, die Philosophie und die Psychologie konsultiert.
Alle diese Disziplinen adressieren die göttliche Kommunikation und führen dazu, dass es durch die Bibel zu einem Verstehen und Verständnis über Gott kommt, welches im Empfänger „erlebte Kommunikation“ begründet. Der Angesprochene empfindet in diesem Prozess echtes Erleben und kommunikative Anrede. Dies wird in der Hermeneutik und der persönlichen Auseinandersetzung mit der göttlichen Offenbarung deutlich. „Erlebte Kommunikation“ geht über die physischen Kanäle der Kommunikation hinaus. Sie tritt dabei, ebenso wie Gebet, in den psychologisch-kognitiven Raum der Kommunikation ein. Gebet, Bibellese, das direkte Reden Gottes zum Menschen (Vision, Traum) und indirekt im Gebet (Eindrücke, Ahnungen, Empfindungen) geben dem Menschen Antworten auf Fragen des Lebens. In diesem Sinne schließt sich ein kommunikativer Prozess, welcher zwar idealerweise vom Menschen ausgeht, jedoch vom Offenbarungswillen der Transzendenz abhängig ist. Dieser Offenbarungswillen verengt sich auf die innerbiblische Offenbarung, d.h. der Heiligen Schrift als Filter. Der Mensch ist damit zum einen zwar offen für das Reden Gottes durch den Heiligen Geist, gleichzeitig ist er aber auch auf Erkenntnisse im Rahmen seiner Bibelkenntnis begrenzt, da ihm diese die Maßregel und den Filter vorgibt. So werden z. B. Prophetien, Visionen oder Träume als göttliche Kanäle genutzt, jedoch durch die schriftliche Offenbarung reduziert. Das biblische Zeugnis selbst eröffnet die Möglichkeit zur persönlichen Erbauung und auch anderer Personen durch direkte Offenbarung, wenn diese prüfend am Inhalt der Heiligen Schrift gemessen wird (1Kor 14; wiederum ist die Schrift der Maßstab).
Der Mensch kann eigenverantwortlich den Kreislauf ansteuern (Gebet, Aufnahmebereitschaft), wie auch auf die Filterfunktion der Schriftoffenbarung zurückgreifen. In diesem Sinn ist er dem göttlichen Kommunikationspartner ein ebenbürtiges Gegenüber (Imago Dei) und hält im Rahmen der Schöpfung eine Sonderstellung inne.
An diesem Punkt muss darauf hingewiesen werden, dass es aufgrund der biblischen Darstellung auch Auslegungen gibt, die dem Menschen eine Fremdsteuerung zuweisen. Hier wird argumentiert dass allein der Heilige Geist das Wollen und Vollbringen einer kommunikativen Annäherung an Gott motiviert, lenkt und vollführt. Der Wille des Menschen liegt dann darin begründet sich mit dieser Fremdleitung zu arrangieren und sich ihr unter zu ordnen. An dieser Stelle soll diese Auslegung, die die Frage der Prädestination aufwirft, nur erwähnt und zur weiteren Interpretation offen gelassen werden.
Kirchengeschichtlicher Rückblick – Kommunikationsgedanke
Aus kirchengeschichtlicher Perspektive ist es die die Wissenschaft der Bibelübersetzung, welche den Erfahrungsbereich der Kirche in Form der Übersetzungstraditionen transportiert. Der gesamtkirchliche Kanon, als Summe verschiedenster Kanon-Traditionen manifestiert sich in den muttersprachlichen Bibelübersetzungen. Hinzu kommt, im Verlauf der Geschichte der Bibelübersetzung spiegelt sich der jeweilige Zustand der lokalen Kirche und der globalen Kirche wider. Im Hinblick auf diese Funktion ist es nicht sinnvoll von einer „Höherentwicklung“ oder einem „geistlichen Wachstum“ der Kirche zu sprechen (vertikale Achse), sondern es macht vielmehr Sinn vom zunehmenden Erfahrungshorizont oder Kommunikationshorizont der Kirche zu sprechen (horizontale Achse). Dies gilt im Übrigen auch für das Individuum im Rahmen der Kirche, welches sich nicht erkenntnismäßig höher entwickelt, sondern in seiner geistlich-spirituellen Erfahrung zunimmt. Um dies zu konkretisieren, lohnt es sich in der Geschichte zu stöbern:
Die vor-kanonische Kirche war auf die mündliche Überlieferung und das Apostolat sowie seiner lehrhaften Sukzession (Weitergabe der Lehre) angewiesen. Die Erfahrungen mit Marcion, der Gnosis, des Arianismus und anderer Einflüsse floss in die weitere Entwicklung der Kirche ein und spiegelt sich in den Dogmen und dem Credo (Glaubensbekenntnis) dieser Zeit wider (3. – 4. Jh. n. Chr.).
Die ersten muttersprachlichen Bibelübersetzungen in semitische Sprachen und Dialekte, sowie ins Armenische, Gotische und Lateinische reflektieren den damaligen stark von Autoritäten abhängigen Stand der Kirche. So wird der Klerus in diesen Übersetzungen betont. Aus diesem Grund haben die orthodoxen Kirchen, die römisch-katholische Kirche und einzelne nahöstliche Kirchen auch eine starke Tendenz zur Liturgie und Hierarchie.
Mit der Reformation kommt das Laienpriestertum ins Bewusstsein der Kirche. Die Ausdrücke „Heil“, „Rettung“ und „Gnade“ bestimmen die Kirche für die nächsten Jahrhunderte. Interessanterweise kann sich die bis dahin dem Klerus unterordnende Kirche auf diesen kommunikativen Wandel einstellen, was ich mit dynamischer Kontextualisierung bezeichnen würde.
Diese Liste lässt sich ohne weiteres anhand der Kirchen- und Theologiegeschichte ausbauen und fortsetzen. Wichtig ist aber, dass die kommunikative Grundlage – der Filter, das ist die Heilige Schrift – während der ganzen Zeit obwohl die Form, Sprache und kulturelle Bezüge sich änderten niemals an Bedeutung oder Wert, das ist ihr inhärenter Überzeugungsaspekt, verlor. Dieses Phänomen wird durch den trinitarischen Dreiklang der Communicatio Dei, der Communicatio Christi und der Revelatione Spiritus begründet. Den Mitgliedern der Kirche wird dabei als Teil deren Auftrag als konservative Hüterin und gleichzeitige progressive Verbreiterin der Botschaft, ein großes Maß an Verantwortung übertragen, die kreativ und zum Nutzen des Reiches Gottes eingesetzt werden soll.
Zusammenfassung
Die komplexen kommunikativen Zusammenhänge zwischen dem Wesen Gottes als „Sendender“ und „Gesandter“ spiegeln die trinitaren Person-Eigenschaften der geoffenbarten Transzendenz wider. Die Heilige Schrift als das manifestierte Dokument über die göttliche Person und ihr Wirken in Kirchen- und Menschheitsgeschichte verengt und reduziert dabei die Kanäle der Kommunikation im Ereignis der Niederschrift und Festsetzung des Kanons. Diese Reduktion findet ihre Ursache in der Fleischwerdung (Inkarnation), Herablassung (Kondeszenz) und Entleerung (Kenosis) der Transzendenz in der Person des Jesus von Nazareth, welcher sich dem Willen Gottes hin gab. Beschreibungen über ihn und die Auswirkung seiner heilgeschichtlichen relevanten Aktionen – namentlich sein Tod, Auferstehung und Himmelfahrt – sind festgehalten im Schriftzeugnis. Mit der Konkretisierung kirchenrelevanter Schriften im biblischen Kanon überträgt sich die Verantwortung der Übersetzung, Verbreitung und Umsetzung der christlichen Botschaft völlig auf den Menschen. Die vorher mündlich tradierte und umfassendere Offenbarung reduziert sich auf das autoritative schriftliche Format. In dieser Funktion fungiert die Heilige Schrift als Nadelöhr und kommunikativer Filter:
- vorhergehender Offenbarung (Kanon der Hebräischen Bibel),
- nachfolgender Offenbarung (z. B. Visionen, Träume, Prophetie), sie
- ist Informationsquelle zu theologisch und missiologisch relevante Fragen, und
- kirchengeschichtlich relevanter Entwicklung (z. B. Dogma, Credo, Glaubensausrichtung).
Als Quelle heiliger und sakraler Inhalte, die über die menschliche Sphäre hinausgehen, deutet sie einen Sphärenübertritt an, der sich zum einen christozentrisch und zum anderen christofugal erweist. Erster zieht den Menschen zur Offenbarung hin, um ihn in die Nähe Gottes zu bringen und auch dort zu halten (z. B. Faszination der Kirche). Letzter treibt ihn von dieser Mitte weg, hinaus zu seinen Mitmenschen, um ihnen die Sphäre des Christus nahe zu bringen.
Der in dem dynamisch miteinander verwobenen Konzept der Missio Dei, Missio Christi und Missio Spiritus enthaltenen kommunikativen Realität entspricht der Dreiklang der Communicatio Dei, Communicatio Christi und die Revelatione Spiritus. Diesem trinitarischen Gleichklang entspricht die Communicatio Dei als ein theologischer und missiologischer Rahmen innerhalb dessen sich die Transzendenz dem Menschen offenbart. Die Communicatio Christi wird durch die Manifestation des Christus in der Fleischwerdung (Inkarnation), Herablassung (Kondeszenz) und in der Entleerung (Kenosis) geoffenbart. Dabei bedient sie sich der menschlichen Kommunikationswege. Um das Individuum, die Gruppe oder ganze Ethnien mit dem Reich Gottes Gedanken zu konfrontieren verengt und begrenzt sich die Revelatione Spiritus auf den Kanon der Heiligen Schrift als Prüfstein und Maßregel der Kirche.
Die Kirchengeschichte, die Geschichte der Bibelübersetzung und der Christlichen Entwicklungshilfe reflektieren die vertikale Erweiterung des Erfahrungsbereiches des globalen Corpus Christi. Diese Erweiterung basiert auf der Grundlage der Übertragung der Verantwortung bei der Festsetzung einer schriftlichen Offenbarung. Dem gläubigen Menschen ist die weltweite Verantwortung und Möglichkeit gegeben, Menschen aus allen Kulturen und Sprachen einen Zugang zum Wesen und zur trinitaren Personhaftigkeit des sich in der Heiligen Schrift selbstoffenbarenden Gottes יהוה, θεος, κυριος (yhwh, theos, kyrios) zu ermöglichen. Die Wissenschaft der Bibelübersetzung ist maßgeblich an diesem Dreiklang der Communicatio Dei, der Communicatio Christi und der Revelatione Spiritus beteiligt. Sie tut dies insbesondere, indem sie Methoden und Modelle der Kommunikation und Übersetzung in der Ausbildung zur Verfügung stellt. Diese ermöglichen es dem (Bibel-) Übersetzer sich aktiv für ein Modell oder einen Modellmix für sein Projekt zu entscheiden. In diesem Sinne wird dem Empfänger ein kontextualisiertes Informationsangebot geliefert, welches ihm einen kultur- und sprachbezogenen Zugang zur Heiligen Schrift ermöglicht.
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