Türkische Bibelübersetzungen

Eberhard Werner

 

Abstrakt

Dieser Überblick fasst die Geschichte der Bibelübersetzungen ins Türkische, eine altaische Sprache zusammen. Die einzigartige Geschichte der Übersetzungsversuche in diese Sprache reicht bis in das Osmanische Reich zurück und bewegt sich bis in die Türkische Republik, die im Jahre 2023 ihr 100-jähriges Bestehen feiert.

 

Türkisch ist eine altaisch-türkische Sprache, für die die frühesten beglaubigten Aufzeichnungen aus dem Jahre 552 n.Chr. stammen. Diese Funde beziehen sich auf die Kök Türkler („Himmels-Türken“) beziehen. Die türkischen Sprachen, früher als Türkisch-Tatarisch bekannt, sind mit insgesamt 150 Millionen Sprechern die jüngste Sprachfamilie im Nahen und Mittleren Osten. Die türkische Sprache wird von etwa 70 Millionen Menschen gesprochen. Die Sprache der Seldschuken, wurde mit arabischen Buchstaben geschrieben und hatte sich im 11. Jh. etabliert. Ausgebreitet wurde sie durch die militärischen Interventionen ihres Reiches. Nach der Ära der Seldschuken fegten während der „Mongoleninvasionen“ vom 12. bis 14. Jh. weitere Turkvölker über Anatolien hinweg (Busse 1988, 86-87). Während der Herrschaft der Osmanischen (1299-1923) durchdrangen persische, arabische, griechische und armenische Lehnwörter die türkische Sprache (Ostler 2006, 101). Nach der Gründung der Türkischen Republik im Jahre 1923 und aufgrund der nach Wesen gerichteten Politik von Mustafa Kemal Atatürk entwickelte ein Team von internationalen Linguisten ein lateinisches Alphabet mit 12 Sonderzeichen für Türkisch. Es wurde eine staatliches und einflussreiches Sprachinstitution namens Türk Dil Kurumu („Türkisches Sprachinstitut“) gegründet. Ziel dieser Institution ist es bis heute, das Türkische ständig zu erneuern und von allen Lehnwörtern und fremden grammatikalischen Bestandteilen zu reinigen (Myers-Scotton 2006, 214).

Die Übersetzung der Bibel ins Türkische begann im 16. Jh. mit den Psalmen von Le’ali (Ahmed ibn Musafa, gest. 1563), gefolgt im 17. Jh. von Yahya bin ‚Ishak, der auch Haki genannt wurde. Seine Übersetzung ins osmanische Türkische mit arabischen Schriftzeichen wurde 1661 fertiggestellt, aber nie veröffentlicht. Der Botschafter von Holland, Levin Warner, beauftragte Albertus (Wojciech) Bobowski, einen ehemaligen polnischen Sklaven der tatarischen Osmanen, der als Ali Bey bekannt war, mit einer weiteren Übersetzung der Bibel (1662-1666). Die Bibel wurde 1664 fertiggestellt, und das Manuskript im Jahre 1666 nach Holland gebracht. Die Übersetzungen von Haki und Ali Bey blieben unveröffentlicht in der Universitätsbibliothek Leiden bis ins Jahr 1814, als Baron von Dietz begann, das Manuskript von Ali Bey zu überarbeiten. Dieses Werk wurde von Prof. Jean Daniel Kieffer fertiggestellt und 1819 von der British and Foreign Bible Society (BFBS) in Paris veröffentlicht; 5.000 Exemplare von Ali Beys NT wurden gedruckt. Darauf folgte 1827 die gesamte Bibel. Zacharias, der Athonit, und Seraphim von Pisidien, ebenfalls im 18. Jh. tätig, übersetzten Katechismen, die Psalmen und andere religiöse Texte in den türkischen Dialekt der Karamanlidika und veröffentlichten sie in griechischen Schriftzeichen. Sie hatten zum Ziel, den türkischsprachigen Christen Kleinasiens die Lehre der orthodoxen Kirche und die religiösen Pflichten eines orthodoxen Christen zu vermitteln. Weitere Überarbeitungen von Ali Beys Übersetzung wurden 1853 von Turabi Efendi und 1857 von Sir James William Redhouse vorgenommen, der für sein türkisches und englisches Lexikon (1890) berühmt ist. Das NT von Redhouse (1857) wurde von der BFBS herausgegeben, aber laut Findley (1979, 583) kam es wegen seines idiomatischen Stils nicht weiter verbreitet in den Gebrauch.

Kurz danach, im Jahr 1866, übersetzte William G. Schauffler vom American Board of Commissioners for Foreign Missions (ABFCM) ein NT, das einige für ein Meisterwerk des eleganten osmanischen Türkisch halten, sowie Teile der Hebräischen Bibel (Richter 2006, 233). In den Jahren 1873-1878 wurde Ali Beys Werk von einem Ausschuss revidiert und erhielt die Zustimmung der Regierung. Es wurde Kitab-ı Mukaddes („Heiliges Buch“) genannt. Eine Wiedergabe und Harmonisierung dieses Standardtextes für die christlichen Kirchen des Osmanischen Reiches in griechischen, arabischen und armenischen Schriftzeichen wurde 1901 als drei unabhängige Übersetzungen fertiggestellt und wird als vereinheitlichter osmanisch-griechisch-armenisch-türkischer Text bezeichnet (Riggs 1940, 245).

Ab 1961 führten evangelikale Bewegungen zu neuen Bibelübersetzungen ins Türkische. Diese neuen Übersetzungen wurden hauptsächlich von einer Mischung aus konservativen und dynamischen äquivalenten Übersetzungsprinzipien geleitet. Sie benutzten z. B. Tanrı und nicht Allah als Gottesnamen, um sich von der Kitab-ı Mukaddes und der islamischen Tradition zu unterscheiden. Teile des NT, die dynamische Äquivalenz-Übersetzungsprinzipien verwenden, wurden 1978 unter dem Titel Wunder Jesu und Lehren Jesu veröffentlicht. Zu den modernen Übersetzungen des NT gehören Müjde (1987); İncil (1989/2008; Kutsal İncil (2003) und die leicht lesbare Version, Halk Dilinde İncil (2012). Zu den kürzlich veröffentlichten Bibeln gehören Kutsal Kitap Yeni Çeviri (Heiliges Buch – Neuübersetzung, Bible Society in der Türkei 2001; mit Deuterokanonischen Schriften 2003) und Ekümenik Kutsal Kitap (Ökumenisches Heiliges Buch, Haktan Yayıncılık 2007). Zusätzliche Lektüre: Gundert 1977; Privratsky 2012.

Bibliographie

Busse, Heribert 1988. Das arabisch-islamische Weltreich und seine Nachfolgestaaten, in Steinbach, Udo & Robert, Rüdiger (Hgg.): Der Nahe und Mittlere Osten: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Geschichte, Kultur, 81-96. Opladen: Leske + Budrich.

Findley, Carter V. 1979. Sir James W. Redhouse (1811-1892): The Making of a Perfect Orientalist? Journal of the American Oriental Society, Vol. 99/4, 573-600. Winona Lake: American Oriental Society. Und Online im Internet: URL: http://www.jstor.org/stable/pdfplus/601447?tokenId=­9FZjy­TSxA3­eIChf6MVPy [PDF-Datei] [Stand 2008-11-04].

Gundert, Wilhelm 1977. Bibelübersetzungen V: Übersetzungen ins Türkische, in Krause, Gerhard & Müller, Gerhard (Hgg.): Theologische Realenzyklopädie (TRE), 299-310. Berlin: Walter de Gruyter. Und Online im Internet: URL: http://books.google.com/books?id=iEEsRpX_MaUC&pg=RA1-PA2­99­&lpg=RA1-PA299&dq=Turkish+Bibles+Ali+Bey&source=web&ots=7Zyl7hzg_3&sig­=I1aC­D­gG­3dDz­PYdIEX_uJhPH02wk&hl=de&sa=X&oi=book_result&resnum=2&ct=result [Stand 2020-11-04).

Myers-Scotton, Carol 2006. Multiple Voices: An Introduction to Bilingualism. Oxford: Blackwell.

Ostler, Nicholas [2005] 2006. Empires of the Word: A Language History of the World. New York: Harper.

Privratsky, Bruce G. 2012. A History of Turkish Bible Translations Annotated chronology with historical notes and suggestions for further research. Online. URL: http://historyofturkishbible.­files.word­press.­­com/2012/05/turkish-bible-history-_2012_05_n.pdf [PDF-File] [Stand 2020-11-10].

Richter, Julius [1930] 2006. Mission und Evangelisation im Orient. Reprint der 2. Aufl. Nürnberg: VTR.

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