Rezension: Du Mez, Kristin Kobes 2015. A New Gospel for Women: Katharine Bushnell and the Challenge of Christian Feminism
werner [at] forschungsinstitut.net
Du Mez offenbart einen seltenen missiologischen Schatz. Eine Kombination, welche evangelikale Missiologie und Theologie, Bibelübersetzung, Missions- und Zeitgeschichte miteinander, in einer Person verbindet: Katharine Bushnell. Das ganze verwirklicht sich unter dem Leitthema „konservativer christlicher Feminismus“. Kristine Kobes Du Mez trägt den Leser in die Periode der amerikanisch-britischen evangelikalen Erweckungsbewegungen des 19. und 20. Jh. Gleichzeitig blickt sie zurück auf damalige und heute aktuelle Brennpunktthemen der christlichen Kirchengeschichte im Entwicklungsdienst. Hierzu gehören: Ideologisch-geprägte antifeministische Bibelübersetzung, Kolonialismus, Menschenhandel, Prostitution und Kindesmissbrauch im Angesicht (männlicher) christlicher Verantwortung und Beteiligung. Der historische Hintergrund bildet die globale methodistische kirchliche Sendungsbewegung. Zeitgeschichtlich bewegt sie sich im Rahmen des sich zunehmend dem Ende neigenden Commonwealth, und geografisch insbesondere in China, Indien und Australien.
In das Vorwort stellt Du Mez die Übersetzung der Schöpfungsgeschichte aus Genesis 1-3 von Bushnell (:ix-x; Preface). Erst im Verlauf der Biographie von Bushnell wird deutlich, wie diese, auf den ersten Eindruck, irritierende Übersetzung der Bibel zustande kam. Als siebtes von neun Geschwistern wurde Bushnell im Jahre 1855 in Peru, Illinois geboren. Sie zog mit der Familie, dann als 15jährige ins 130 km entfernte Evanston. Diese Stadt war bekannt als evangelikales Methodist Mecca und als eine der evangelikalen christlich-feministischen Hochburgen (:13-15; :12-26; A Paradise for Women).
Die Heiligungs-Bewegung, insbesondere unter der Leitung von Frauen, und im Kontrast dazu die strenge viktorianischen Geschlechtertrennung prallten dort aufeinander (:27-61; Virtue, Vice, and Victorian Women). Dies führte zur Beteiligung von Frauen auf Leitungsebene und in der Bildung (z. B. Northwestern Female College). Von ihnen wurden Bedenken bezüglich der Evangelisation von Frauen durch Männer laut. Daraus wiederum erwuchs die erste globale Frauen-Sendungs-Bewegung, nicht nur durch Frauen, sondern ganz gezielt und zielgruppenorientiert an Frauen. Hierzu gehört z. B. die Woman’s Foreign Missionary Society – WFMS – durch die Methodist Episcopal Church (:19).). Frances Willard, Bushnells Nachbarin, wurde ihre jahrzehntelange Mentorin, basierend auf einer gegenseitig profitierenden Beziehung (:21). Bushnell studierte Theologie und die Sprachen des Grundtextes. Sie entwickelte sich langsam zu einer, damals sehr seltenen und deshalb gefragten, professionellen Exegetin und Hermeneutin. Beides schlug sich später in ihrer Kritik der gängigen englischen Bibelübersetzungen nieder.
Basierend auf einer Betonung des kirchlichen Dienstes im Ausland und von Frauen in der Wissenschaft im Rahmen der Methodisten, studierte Bushnell Medizin (:24-25). In 1879 fuhr sie als medizinische Fachkraft nach China. Ihre Reise stand unter dem Eindruck des christlichen Feminismus, der Christianisierung von Frauen durch Frauen, und dem sogenannten „gesellschaftlichen Reinigungs-Feldzug“ (:27; social purity crusade). Hier, in der Fremde, wurde ihr zum ersten Mal die (un-)bewusste Herabsetzung von Frauen deutlich. Mehr noch, sie lernte über die dahinterstehenden Beweggründe, und warum Frauen, solches mit sich geschehen lassen. Sie war sich, der damaligen Zeit gemäß, ihres eigenen imperialistisch-kolonialistischen Ansatzes nicht bewusst. Umso mehr wurde ihr, die ihr vorliegende chinesische Bibelübersetzung zum Anlass, sich grundlegende Gedanken zur paternalistisch-ideologischen Voreingenommenheit im globalen christlichen Kontext zu machen. Als Beispiel gibt Du Mez Philipper 4:2-3 vor. Der Text bezog sich in der chinesischen Übersetzung auf zwei männliche Gehilfen, während der Grundtext von Euodia und Syntyche als weibliche Gehilfinnen spricht (:39-40). Schlimmer noch waren jedoch die theologischen „Nachweise“ ihrer männlichen Kollegen bezüglich dieser fehlerhaften Übersetzung.
Bushnell bekam die Chance für die Woman’s Christian Temperance Union (WCTU) unter Willard zu arbeiten (:41). Zurück in den USA untersuchte sie unterschiedliche wissenschaftliche Zusammenhänge zwischen Prostitution und männlichen Einflüssen in Wisconsin, wie sie solche auch in China wahrgenommen hatte (:60-62; :62-85; Heathen Slaves, Christian Rulers). Ihren großen Durchbruch hatte sie mit einer Untersuchung zur gezielten Prostitution durch britische Soldaten im indischen Teil des Commonwealth. Unter falschem Vorwand, jedoch auf offizielle Beauftragung basierend, konnte sie dort die Gebaren der britischen Truppen mit indischen Frauen aufdecken. Falsche Eheversprechungen führten zu einer Art „offiziellen“ Prostitution. In der Konsequenz traten Abtreibung, Geschlechtskrankheiten, Freitod und gesellschaftliche Ächtung auf, was wiederum den Widerstand gegen die britische Bevölkerung anfachte (:69-71). Bushnell konnte dies auch für China nachweisen. Ihre Ergebnisse führten zu heftigem Widerstand im Commonwealth waren jedoch wissenschaftlich fundiert. Bushnell war wohl die erste Frau, die öffentlich das theologische Denken der damaligen Zeit für die Verbrechen an Frauen verantwortlich machte (:86-89; :86-107; The Crime is the Fruit of the Theology). Für sie war die paternalistische Dominanz in Exegese und Hermeneutik, sowie in den Kirchenstrukturen Grundlage für die Missstände.
Bushnell fing an eigene Bibellektionen für Frauen zu schreiben: God’s Word for Women (z. B. 101 Questions answered: A Woman’s Catechism). Gleichzeitig untersuchte sie englische Bibelübersetzungen auf, ihrer Meinung nach, paternalistische Fehlübersetzungen. Ihr wurde schnell klar, dass das Verständnis zur Schöpfungsgeschichte grundlegend die Auslegung beeinflusste (:108-129; Leaving Eden). Vor allem die Stellung Evas nach dem Sündenfall wurde zur Schlüssel-Exegese ihrer Auslegung (:130-151; Reedeming Eve). Dabei nimmt sie Anleihen an zeitgleichen anthropologischen und religionswissenschaftlichen Thesen. Das Matriarchat, als frühes Gesellschaftsystem und die Christenverfolgung von Frauen, dienten ihr als Anhaltspunkte für die besondere göttlich übertragene Verantwortung des Mannes gegenüber der Frau. Nicht als Schutzherr der Frau, sondern als Gottes-Gegenüber besonders verantwortlich und der Frau absolut gleichgestellt. Erst die spätere paternalistische Auslegung verschob diese besondere Verantwortung auf die Schulter der Frau, die nun zum Spielball männlicher Machtkonstruktionen wurde (:150-151). Liberale Bewegungen im amerikanisch-britischen Protestantismus führten auf lange Sicht zur Nivellierung der Geschlechterfrage und damit zur Beteiligung von Frauen im theologischen Raum (:152-162; Liberal Conservatives). Mit dem Beginn des 20. Jh. begann eine neue liberale feministische Welle, der Bushnells konservativer Ansatz nicht genügte. Bushnell sprach sich für die Familie, gegen Abtreibung und Verhütung (Geburtskontrolle) aus (:163-178; A Prophet without Honor).
Der sogenannte „moderne liberale Feminismus“ konnte jedoch die Diskriminierung von Frauen auch nicht beseitigen. Erst in jüngerer Zeit werden daher die „Neue Moral“ und der „konservativ-christliche Feminismus“ von Bushnell in der Interkulturellen Theologie neu entdeckt (:179-187; Conclusion: The Challenge of Christian Feminism).
Zusammenfassend kann man diese Studie nur jedem empfehlen, der sich zu den Themen Geschlechterproblematik, Menschenhandel, Prostitution, Feminismus und Ideologie in der Bibelübersetzung weiterbilden möchte.
Geschlechterstudien ; Menschenhandel; Prostitution; Feminismus; Ideologie in der Bibelübersetzung; Kolonialismus; Postkolonialismus; Maternalismus; Paternalismus
Zurück