Rezension: Boase, Roger (ed.) 2005. Islam and Global Dialogue: Religious Pluralism and the Pursuit of Peace.

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In diesem Werk, zu dem 20 Autoren beigetragen haben, geht es darum zu erkunden wie sich der Islam als religiöse Bewegung auf den interreligiösen Dialog eingelassen hat. Roger Boase, war Professor an der Universität in Fez / Marokko, bevor er an die Universität zu London wechselte. Seine Stellungnahmen lassen darauf schließen, dass er selbst Moslem ist (Beitrag 17; s. unten). Er hat ein buntes Gemisch an Autoren zum Thema „Islam und religiöser Pluralismus“ gesammelt. Dabei ist der Hauptteil der Arbeit, Beiträge 4-11 (S. 77-190), dem Islam und seiner Beziehung zum Westen, im Hinblick auf Huntington’s Clash of Civilization and the Remaking of World Order (1996) gewidmet. Der zweite Hauptteil, Beiträge 12-19 (S. 191-273), beschäftigt sich mit jüdischen, christlichen und islamischen Antworten auf religiöse Unterschiedlichkeit. Abschließend – wie auch implizit über dem ganzen Werk – steht der Appel religiösen Pluralismus als Chance und als Ausdruck menschlicher und göttlicher Vielfarbigkeit zu sehen und religiöse Auseinandersetzungen zu verdammen.

In Teil 1 der Sammlung wird der Leser durch John Bowden, editor of SCM Press, auf den historischen Ursprung religiösen Pluralismus im Rahmen der Aufklärung hin geführt (Beitrag 1; S. 13-20). Diana L. Eck, Indian studies Harvard University, definiert als hilfreiche Unterscheidung den Exklusivismus, Inklusivismus und Pluralismus als die drei philosophischen Kernströmungen religiöser Ausprägung (Beitrag 2; S. 21-50). Die christlich evangelikale Welt ist dabei im Spektrum von extrem exklusivistischen, teils auch fundamentalistisch genannt (z. B. S. 13), wie z. B. in der Frankfurter Erklärung ausgedrückt bis hin zu wenig exklusivistischen Gruppen vertreten, die sich selbst als Ausdruck religiöser Pluralität verstehen (z. B. United Church of Canada, S. 23). Solche Spektren bilden sich in allen Religionen ab, z. B. Islamic Jihad im Islam oder Gush Emunim im jüdischen Glauben. In gleicher Weise findet sich diese Bandbreite auch im inklusivistischen und pluralistischen Raum wieder. Das Bild des Westens (Teil 2) im Islam wird von verschiedensten Blickwinkeln aus betrachtet. William Dalrymple, Historiker und Schriftsteller, führt in die Welt der christlichen Heiligen und der islamischen Sufiten ein (Beitrag 5; S. 91-101). Dabei enthüllt er Gemeinsamkeiten im langen Miteinander beider Religionen. Er kommt zu dem Schluss, dass man je länger man das orthodoxe Ostkirchentum studiert, desto mehr wird deutlich wie sehr es die Grundlage fundamentaler islamischer Inhalte darstellt (S. 96). Gerade in Ostanatolien (Levante) und im Nahen Osten ist dieser christlich-islamische Synkretismus, seiner Meinung nach tief verankert. Akbar S. Ahmed, Islamic studies an der American University Washington, ist weltweit bekannt für seinen Einsatz zum öffentlichen Dialog zwischen Islam und den anderen Religionen (Beitrag 6; 103-118). Sein Beitrag, wie auch an anderer Stelle, geht davon aus, dass sich Moslems deshalb ablehnend gegenüber dem Westen erweisen, weil die Leistungen des Islam dort nicht beachtet werden (S. 106-107). Diese Schuldzuweisung an den Westen wird oft benutzt und unterstreicht den Graben zwischen islamischer Welt und dem pluralistisch-christlichen Westen. Antony T. Sullivan, Lehrer am Institut für Middle Eastern and North African Studies an der Universität zu Michigan, geht als einer der wenigen auf die spannungsgeladene politische Situation zwischen islamischer Welt und dem Westen, insbesondere den Vereinigten Staaten ein (Beitrag 9; S. 139-158). Er versucht den Westen aus asiatischer Sicht (China und Indien) zu verstehen und die arabische Welt als Bestandteil darin zu verankern (S. 139). Im Weiteren führt er den Leser in den ökumenischen Jihad römisch katholischer Gelehrter ein (Peter Kreeft, Russell Kirk). Der von vielen Muslimen als auch Nicht-Muslimen, missverstandene Begriff jihad und die daraus resultierenden Aktivitäten wird als Ursache für die ablehnende Haltung des Westens gegenüber dem Islam gewertet (S. 147).

Im zweiten Hauptteil (Teil drei) kommt der christlich-jüdisch-muslimische Trialog als trilateraler Dialog ins Gespräch. Tony Bayfield, Direktor der reformierten Synagogen im Vereinigten Königreich (UK), weist darauf hin, dass der 11 September 2001 ein Angriff auf jegliches religiöse Denken war (Beitrag 12; S. 191-202; S. 191). In 5 Anklagepunkten beschreibt er das Dilemma: Judentum, Christentum und Islam sind für ihn eng verwandt, stellen aber die am schlechtesten funktionierende Verwandtschaft oder Familie dar, die man sich vorstellen kann (S. 194). Keine dieser drei monotheistischen Schriftreligionen hält sich an die Herausforderungen ihrer eigenen Schriften sich um Frieden zu bemühen (S. 195). Das Judentum klagt er für seine absolute Theologie der Erwählung und Einzigartigkeit an (Anklage 3) und die Ausprägung aller drei Religionen hin zum Fundamentalismus (Anklage 4; S. 195). Zuletzt verweist er auf die Ausbeutung der Dritten Welt durch das Christentum und den post-christlichen Westen (S. 198). Bayfield‘s Argumentation ist symptomatisch für den Ansatz des religiösen Pluralismus wie er in diesen Artikeln vorgetragen wird. Murad Wilfried Hofmann, ein deutscher Diplomat und Autor in Algerien und Marokko der zum Islam konvertierte, verteidigt die „zurückhaltende“ Stellung des Islam in Hinblick auf den religiösen Dialog (Beitrag 16; 235-246). Seiner Meinung nach hat Amerika wenig aus dem 11. September gelernt und es wurde „Israel“ in der ganzen Debatte vergessen (S. 235). Fanatische evangelikale Kreise würden den Islam aktiv bekämpfen, wobei sich Deutschland als herausragend erweise. Dabei sind in islamischen Staaten, so seine Beobachtung, religiöse Probleme auf lokaler Ebene kein Thema (S. 237). Der dhimmi-Status (nicht-Muslime in islamischen Staaten) hätte nur drei Einschränkungen zur Folge: Ausschluss aus dem Militärdienst, eine spezielle Steuer die nicht unbedingt höher wie die normale Steuer zakat war, und die Unmöglichkeit höchstes Staatsoberhaupt zu werden (!; S. 242). Toleranz, Ökumene und das Streben nach Frieden in allen Religionen kann nur gelingen wenn jeder in seinem bleibt ist seine abschließende These (S. 244).

Eine dritte Stellungnahme zum interreligiösen Dialog kommt vom Editor Roger Boase, der den ökumenischen Islam als eine Antwort auf den religiösen Pluralismus betrachtet (Beitrag 17; S. 247-266). Er zeichnet drei Grundhaltungen im Hinblick auf religiösen Pluralismus ab.

Diejenigen die komplett ablehnen (z. B. solche die sich als Instrumente Gottes sehen),
diejenigen die religiöse Unterschiedlichkeit als Segen betrachten und dem Weltfrieden entgegen streben (z. B. Küng), und zuletzt
diejenigen die Religion in jedweder Ausprägung ablehnen (S. 247-248).
Auch Boase beginnt mit dem 11. September 2001 und beschreibt die militärische Antwort des Westens in Afghanistan, Irak und Pakistan als den schlimmsten Fehler (S. 248). Die wahre Dichotomie findet sich nicht zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen, sondern zwischen extremistisch-exklusivistischen und inklusivistisch-pluralistischen Gruppen (S. 249). Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten stößt er auf den ökumenischen Islam. Der Prophet Mohammed selbst war in die interreligiöse Debatte seiner Umwelt eingebunden, wie der Koran zeigt. Sieben Prinzipien lassen sich daraus ableiten:

Es soll kein Druck in Bezug auf den Glauben ausgeübt werden (Sura 2:256),
beleidige keinen Andersgläubigen (Sura 6:108),
lass dich nicht mit denen ein die deinen Glauben beleidigen (Sura 5:57-58),
sprich mit Taktgefühl und Höflichkeit mit denen anderen Glaubens (Sura 15:88),
suche den Dialog mit denen die kritisch argumentieren (Sura 3:65),
versage der Spekulationen über Glaubensfragen (Sura 40:4), und zuletzt
konkurriere in deinem eigenen Glaubensleben mit Andersgläubigen um sie zu motivieren (Sura 5:48; S. 252-254).
Soweit die Auslegung von Boase zum Koran. Der jüdisch-islamische Dialog zu Zeiten des Propheten Mohammed war intensiv und sollte heute im islamischen Raum, wie auch außerhalb im Hinblick auf den Islam als religiöser Dialog wieder aufgenommen werden (S. 262).

Dieses Werk ist in Anlehnung an die derzeitigen Spannung zwischen den Weltreligionen ein Fingerzeig darauf hin, dass es an jedem einzelnen liegt sich theologisch auf andere Religionen in der Weise einzulassen und sie nicht grundsätzlich als fundamental-radikal zu betrachten. Solch eine Ausprägung ist in jeder Religion vorhanden und sollte zur Nächstenliebe oder Friedensabsicht führen, wenn man den Offenbarungen folgt. Da die menschliche Realität aufgrund ökonomischer oder politischer Spannungen (Armut, Verfolgung, Vertreibung) oft anders aussieht, bleibt zuletzt die bange Frage, ob sich solche Appelle umsetzen lassen oder die Menschen zum Umdenken bewegen.

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