Rezension: Harvey, Richard 2009. Mapping Messianic Jewish Theology: A Constructive Approach. Studies in Messianic Jewish Theology,

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Richard Harvey ist Akademischer Dean und Tutor in Hebräischen und Jüdischen Studien am All Nations College bei London. Laut Harvey umfasst das messianische Judentum (ursprünglich Hebräisches Christentum – Hebrew Christianity; S. 10) gegenwärtig um die 150.000 jüdische, an den Messias Jesus Christus, Gläubige (S. 2). Obwohl es sich um eine relativ geringe Zahl handelt birgt die messianische Bewegung politischen und geistlichen Sprengstoff in sich und ist aus missiologischer Perspektive bedeutsam für den Gemeindebau. Andere messianische Bewegungen, auch Insider-Bewegungen genannt, aus anderen religiösen Kontexten (z. B. im Islam, Buddhismus, Hinduismus) messen sich oder werden an dieser jüdischen Bewegung gemessen. Das offizielle Judentum lehnt diese Bewegung in der Regel als nicht-jüdisch ab (z. B. der Zentralrat der Juden Deutschland).

Harvey untersucht acht Typen messianischer jüdischer Theologie (S. 267-277):

Typ 1 Jüdisches Christentum, christozentrisch und reformiert (Baruch Maoz);
Typ 2 Dispensationalistisches Hebräisches Christentum (Arnold Fruchtenbaum);
Typ 3 Israelische Nationalität und Wiederherstellung (Gershon Nerel);
Typ 4 Neutestamentliche Halacha, charismatisch und evangelikal (Daniel Juster, David Stern);
Typ 5 Traditioneller Judaismus und der Messias (Michael Schiffmann, John Fischer, Ariel Berkowitz);
Typ 6 Postmissionarischer messianischer Judaismus (Mark Kinzer, Richard Nichol, Tsvi Sadan);
Typ 7 Rabbinische Halacha im Lichte des Neuen Testaments (Joseph Shulam);
Typ 8 Messianische rabbinische Orthodoxie (Elazar Brandt, Uri Marcus).
Diese acht Typen bespricht er anhand von fünf Themenblöcken:

1. Gottes Natur, Handlungsweise und Attribute (kann der eine Gott Israels und die christliche Dreieinigkeit gleich sein?)

2. Der Messias (messianische jüdische Christologie)

3. Thora in der Theorie (die Bedeutung und Interpretation der Thora im Lichte Yeshua/ Jesu) 4. Thora in der Praxis (Messianische Praxis des Sabbats, Lebensmittelvorschriften und Pessach/ Ostern)

5. Eschatologie (die unterschiedlichen Modelle, die in der Bewegung verwendet werden, um die Zukunft Israels zu beschreiben).

Nach Empfehlung des Autors bietet Kapitel 9 „Conclusion: The Future of Messianic Jewish Theology“ (Fazit: Die Zukunft der messianischen jüdischen Theologie) eine umfassende Zusammenfassung, die seine Erkenntnisse beschreibt und in jüdisch-theologische Zusammenhänge stellt. Er erwähnt dort alle Problemfelder und Anknüpfungspunkte der acht dargestellten messianischen jüdischen Theologien noch einmal und gibt einen Ein- und Ausblick auf die möglichen Entwicklungen dieser Bewegung im Hinblick auf das globale Christentum.

Einige jüdische Anthropologen (z. B. Devra Jaffe unter messianischen Versammlungen in Philadelphia und Houston 2000; S. 23), jüdische Soziologen (Elliot Cohen, jüdischer Buddhist untersucht die jüdischen Gegenreaktionen 2004; S. 26-27) und nichtjüdische Religionsforscher (z. B. Bülent Şenay islamisch-theologischer Historiker zur Theologie der Bewegung 2000; S. 19, 188) haben das jüdisch-messianische Bewegung ebenfalls untersucht und beschrieben. Dass Harvey diese Sichtweisen mit einbezieht eröffnet Einblicke in die Wahrnehmung dieser Bewegung aus öffentlicher, kritisch-jüdischer sowie kritischer als auch zustimmender christlicher Perspektive. In zugewandten christlichen Kreisen wird die Bewegung als Kontextualisierung (Glasser, Fuller Seminary; S. 35), Wiederentdeckung des Ursprungs (rediscovery) oder (Wieder-)Vereinigung des Körpers Christi (Hegstad, norwegischer Lutheraner; S. 37) gedeutet.

Herausstechende ungelöste Problemfelder bilden der jüdische Monotheismus versus der dogmatisch-biblischen Trinität (S. 49-50, 66-67 Maoz „personhafte Dreieinheit“), das Verständnis und die Stellung Jesu Christi in der Hebräischen Bibel sowie der jüdischen Tradition (z. B. Kinzer S. 47), die jüdisch-halachischen Essensvorschriften (koscher vs. treife) sowie zuletzt die Einhaltung des Sabbat und anderer jüdischer Feste (S. 188).

Maßstab für die Bandbreite der Wahrnehmung und Auslegung zu diesen Gebieten ist die Nähe zum oder die Ablehnung des jüdischen Kultus innerhalb der messianisch-jüdischen Gruppen. Harveys Verdienst ist es die acht Typen eruiert und miteinander in Beziehung gebracht zu haben. Im Hinblick auf die Diskussion um die Rückführung des jüdischen Volkes in den Schoß der Kirche hat die jüngste Verlautbarung der evangelischen Kirche zum Reformationsjahr (November 2016), unter Eindruck des lutherischen Antijudaismus, jede Beteiligung bei Bekehrungsversuchen an jüdischen Menschen abgelehnt. Es wird sich zeigen wie das messianische Judentum mit solchen Abgrenzungen umgehen wird.

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