Eberhard Werner
Inhalt
Diaspora, Migration, Flucht und Bibelübersetzung. 1
Abstract 1
1. Vorwort: Unergründliche Diaspora. 1
2. Diaspora – Gründe: Versuch einer Eingrenzung. 3
3. Auswirkungen der Diaspora – Personenkreise, Identität 5
4. Missiologische Überlegungen zur Diaspora. 8
4.1 Generelle missiologische Überlegungen. 8
4.2 Einzelfallüberlegungen. 10
4.2.1 Identität(en) – In der Diaspora. 10
4.2.2 Anknüpfungspunkte an den christlichen Glaube – Diaspora und Kirche. 12
4.2.3 Kreative Einbindung in diakonische Strukturen. 14
Bibelübersetzung und Diaspora. 15
Zusammenfassung. 16
Abstract
Migrationsbewegungen gibt es seit Menschengedenken. Immer schon haben verschiedenste Ursachen solche Bewegungen ausgelöst, dabei interessiert uns wie Religionen sie eingeschränkt oder begleitet haben. Dabei zählen religiöse Feindschaften durchaus auch zu den Ursachen. Die christliche Kirche kennt solche Erfahrungen, ja ist Teil solcher Bewegungen, Gegenbewegungen und diesbezüglicher diakonischer Hilfseinrichtungen. Neben historischen Fakten, sollen in diesem Aufsatz missiologische Aspekte angedacht werden, um den Themenblöcken Migration und Diaspora gerecht zu werden. Fragen, welche sich um die Herausbildung von Identität(en) drehen spielen hierbei eine Rolle. Um diese umfangreichen Themengebiete zu verstehen, werden sie eingegrenzt auf anthropologische Beobachtungen unter spezifischen lokalen Bewegungen und deren politisch-sozialen Auswirkungen in Deutschland. „Identität“ wird aus missiologischen Gründen anhand dreier Grundbedürfnisse von Migranten (im Übrigen aller Menschen) untersucht: a.) Bedürfnis nach Anerkennung durch Arbeit bzw. Sozialem Engagement, b.) Bedürfnis sich auf einen sprachlichen und kulturellen Rahmen als „Heimat“ zu besinnen, und c.) das Bedürfnis eine gesunden Lebens-Neugierde zu befriedigen, um die (eigene und gesellschaftliche) Zukunft zu gestalten. Des Weiteren bietet eine biblisch-christliche Untersuchung die Möglichkeit Impulse aufzugreifen, die sich aus der Lebenssituation von Migranten in der Diaspora ergeben. Hierbei spielt die Bibelübersetzungs-Bewegung eine Rolle, welche zur Sprache kommen wird. Die gegenwärtige Ost-West orientierte asiatisch-nahöstliche Flüchtlingsbewegung aus Pakistan, Afghanistan und Syrien in Richtung Europa und hier schwerpunktmäßig Deutschland, bietet die aktuelle Grundlage für solche Überlegungen. Die Süd-Nord orientierte Bewegung aus Afrika wird nur gestreift, da sie teilweise andere Ursachen und Auswirkungen hat.
1. Vorwort: Unergründliche Diaspora
Von Senecca wird das Zitat überliefert, „Überall zu sein, heißt nirgends zu sein.“ In Erkenntnis der Tatsache, dass das komplexe und weitreichende Thema „Diaspora“ niemals abschließend besprochen werden kann, wurden für diesen Artikel die Situation von Migranten und ihr Werdegang aus der Türkei in Deutschland beispielhaft und vergleichsweise herangezogen. Des Weiteren befasst er sich mit dem Fragekomplex wie (individuelle und gruppenbezogene) Identitäten gebildet werden und wie sie sich in der Begegnung mit Migranten darstellen. Dies alles im Hinblick darauf, missiologische Implikationen abzuleiten und eventuelle Handlungsstrategien für Evangelisation und Diakonie anzudenken.
Was heißt Diaspora im heutigen Zeitalter fast unbegrenzter Mobilität? Seneccas weise aber mystische Aussage weist darauf hin, dass dieses Thema niemals abschließend besprochen werden kann. Die meisten modernen Studien auf diesem Gebiet stammen aus soziologischer Perspektive und besprechen die Fragen nach Assimilation, Integration und Inklusion von Bevölkerungsgruppen, die sich selbst als Diaspora bezeichnen oder von außerhalb so wahrgenommen werden. Dabei treten oft auch Einzelaspekte in den Vordergrund, wie sie in den unterschiedlichen Disziplinen als bedeutsam gelten: Dies können sprachliche Merkmale oder Besonderheiten sein, aus christlich-theologischer Sicht auch kirchliche oder missiologische Fragestellungen, aus religionswissenschaftlicher Perspektive interkulturell theologische Besonderheiten, aus anthropologischer Sicht geschlechterspezifische oder kulturübergreifende Beobachtungen, aus islamisch-religionstheologischem Hintergrund soziologische Fragen und vieles mehr.
Historisch gesehen hatten die Völkerwanderungen („mass migration“) während des Römischen Reiches große Verschiebungen von Ethnien zur Folge. Ihnen gingen die Keltenbewegungen entlang der Donau des 4. Jh. v. Chr. voraus, gefolgt von den Germanen die aus dem Norden zuwanderten und viele mehr. Neben der Ausbreitung des Christentum (1. – 4. Jh. n Chr.) ist auch die des Islam zu nennen (6. – 9. Jh. n. Chr.) Kriegszüge und gewaltsame Ausbreitungen wurden durch die Mongolenstürme des 11. – 13 Jh. n. Chr. eingeleitet. Diese führten während des hohen Mittelalters zur Neugestaltung des vorderasiatisch-nahöstlichen Raums. Danach konstituierte das Osmanische Reich nicht nur Nordafrika, sondern auch das östliche Südeuropa, den Balkan und den sogenannten fruchtbaren Halbmond im Nahen und Mittleren Osten neu. Die wohl größte moderne Migrationsbewegung fand aus Europa nach Nordamerika von 1800 bis 1925 statt, als jeder fünfte Europäer immigrierte. Parallel dazu gab es die chinesische Migration nach Kanada und Nordamerika. Seit den neunzehnhundertsechziger Jahren haben Migrationsbewegungen um ein vielfaches zugenommen. Es wird geschätzt, dass im Jahre 2005 weltweit 200 Millionen Menschen Migranten waren. Das sind ca. 3% der Weltbevölkerung und betrifft somit jede 34. Person (Schätzung um 2005 in Hanciles 2008:118, 121). Aufgrund der andauernden Zunahme der Krisenherde und der Explosion der Weltbevölkerung seit Beginn des 20. Jh. ist deshalb von „der Epoche der Migration“ (:118) zu sprechen.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit den soziologischen Brennpunkten, wie sie aufgrund der gegenwärtigen, also seit dem Jahr 2015, sogenannten „Flüchtlingskrise“ aus Pakistan, Afghanistan und mehrheitlich Syrien nach Europa und hier insbesondere Deutschland und Schweden in der Öffentlichkeit besprochen werden. Die in der Öffentlichkeit als bedrohlich wahrgenommene Migrationsbewegung aus den Maghreb Staaten umfasst in der Realität nur wenige Tausend und spielt hier keine Rolle, da politisch auf schnelle Abschiebung gedrängt wird. Ebenso wird das durchaus interessante Gebiet der politischen, meist finanzielle Zahlungen betreffende, Verhandlungen mit den Herkunftsländern hier nicht betrachtet, da dies den Rahmen sprengt.
Die Lebensgestaltung beruht auf äußeren Umweltfaktoren, die politisch und durch die Natur gestaltet werden, hierzu zählen auch menschliche Grundbedürfnisse. Diese hier aufgezeigten Grundbedürfnisse sind nicht als abschließend zu verstehen. Aus praktischen Gründen wurden die Bedürfnisse nach Sicherheit und Schutz und andere vernachlässigt. Aufgrund anthropologischer Beobachtungen der praktischen Lebensgestaltung von Migranten konnten unter anderen drei Grundbedürfnisse festgemacht werden:
a.) das Bedürfnis nach Anerkennung durch Arbeit bzw. sozialem Engagement,
b.) das Bedürfnis sich auf einen sprachlichen und kulturellen Rahmen als „Heimat“ (rück) zu besinnen, und
c.) das Bedürfnis eine gesunde Lebens-Neugierde zu befriedigen, um die (eigene und gesellschaftliche) Zukunft zu gestalten.
Die westlich dominante Perspektive, die hier eingenommen wird, versucht den missiologischen Möglichkeiten, die im Moment denkbar sind, entgegen zu kommen. Dabei ist bekannt, dass dankenswerterweise auch asiatische, südamerikanische und afrikanische Organisationen und Institutionen vermehrt in Europa missiologisch tätig werden. Auf eine zunehmende Veröffentlichung ihrer Erfahrungen ist freudig zu warten. Des Weiteren wird auf die Erfahrungen mit der europäischen „Gastarbeiterbewegung“ der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurückgegriffen, da sie langfristige Entwicklungen für die hiesige Fragestellung aufzeigen.
2. Diaspora – Gründe: Versuch einer Eingrenzung
Der griechische Begriff διασπορά diaspora „Verstreuung“ findet sich in Bezug auf Migrationsbewegungen. Diese bezeichnen eine (ehemalige) Minderheit an einem Ort, den sie selbst nicht als ihren Ursprungsort beschreiben. Früh schon wurde der Begriff für das jüdische Volk benutzt, welches aus Israel von den Assyrern (9. Jh. V. Chr.) und später aus Juda von den Babyloniern (6. Jh. V. Chr.) nach Babylon umgesiedelt wurde (z. B. 1. und 2. Chronik; 1. und 2. Könige). Der aus der ins Griechische übersetzten Hebräischen Bibel stammende Begriff (Deut. 28:64) wurde zwar als Schmähruf verstanden, ging aber als „jüdische Diaspora“ in die Geschichte ein. Später wurde er auf unzählige Migrationsbewegungen angewandt (Wan 2012 unter Diaspora Quick Links). Wo es zu politischen oder religiösen Verfolgungen kommt, da findet der Begriff schnell seinen Platz, wie die ausführliche, bei weitem nicht abschließende Liste bei Wan aufzeigt (2012: List of References).
Will man die Gründe auflisten, die zu einer Diaspora-Situation führen, so ist grob in freiwillige und zwangsläufige, wie auch zeitlich einzugrenzende Migration, die zur Diaspora führt zu unterscheiden, wobei es natürlich Überschneidungen gibt. Freiwillig ist dabei der Umzug in eine vorher fremde Region als Nachzug, aus beruflichen oder sozialen Gründen. Der Begriff zwangsläufig bezeichnet dabei die Verfolgungs-, Kriegs- oder Unglückssituationen in welcher die Heimat aufgrund äußerer Zwangsausübung verlassen werden muss. Flüchtlings- oder Vertriebenenbewegungen aus Krisengebieten sind sicher die weitaus bekanntesten Kategorien. Überschneidungen bei den Motivationen oder den Gründen für die Migration finden sich z. B. aus wirtschaftlichen Gründe. Zu letzteren zählen Wanderarbeiter, die sowohl freiwillig (z. B. Cargo-Schifffahrt) als auch zwangsgesteuert (z. B. Sklavenarbeit, Prostitution) sein können. Unbenannt sind hier Entwicklungen die zuerst freiwillig waren, dann aber in Zwang ausarteten und umgekehrt. Die militärischen Vormärsche mancher Ethnien, wie den Hunnen (5. – 3. Jh. v. Chr.), den Wikingern (bis ins 8. Jh. n. Chr.) und den Mongolen (s.o.) wurden in ihrem Verlauf zu zwangsläufig notwendigen Bewegungen, um den Nachschub zu garantieren oder sie verliefen sich darin, dass die Völker in anderen aufgingen.
Zeitlich ist von kurzzeitigen und langfristigen Erscheinungen auszugehen. So wird von kurzzeitigen Diasporasituationen gesprochen, wie z. B. die angeworbenen indischen Arbeiter am neuen Panamakanal oder den olympischen Spielen 2016. Es kommt auch zu langfristigen Diaspora-Situationen, die über Generationen hinweg gehen. Eine Diaspora kann sich auch ganz auflösen, indem eine Gruppe in die Heimat zurückkehrt (z. B. albanische Asylantragsteller) oder sich völlig an die neue Umgebung assimiliert (z. B. französische Hugenotten in Deutschland; große Teile von Sinti und Roma).
Problematisch ist jedoch die eigene und innere Zuweisung einer Gruppe zu diesem Begriff. Ist der aus Indien stammende, dort geborene, und in Madagaskar aufgewachsene, durch die Arbeit nach Italien kommende und dort eine Italienerin heiratende Wanderarbeiter wirklich in der Diaspora? Stellt eine Gruppe mit ähnlichem Hintergrund eine solche dar? Was ist „Heimat“ für diese Menschen? Benötigen sie eine solche für die eigene Identität? Wie definiert sich die Identität in solchen Fällen? Die Zuweisung von außen scheint auf den ersten Blick einfach, jedoch ist sie gar nicht eindeutig, zumal die eigene Einschätzung letztendlich entscheidet wie sich jemand verortet.
Eine wichtige Frage bezüglich der Diaspora ist die Frage nach der Identität. Sie zu klären ist schwierig, da Personen die in einem Land geboren sind und dort, bis auf kurze Auslandsaufenthalte, immer gelebt haben meist nationalistisch denken und so den Kontrast für die „anderen“ (otherness) bilden. Menschen die diese Erfahrung nicht teilen werden als Fremde betrachtet. „Fremdheit“ steht dem Nationalismus entgegen. Nationalismus aber ist Ausdruck von Zugehörigkeit und Heimat, als einer inneren und äußeren Identitätsfestlegung. Die Identitätsnachweise (Personalausweis, Reisepass, Führerschein) weisen die äußeren Zugehörigkeitsmerkmale nach. Der ständige Wohnsitznachweis wird zum Merkmal dieser öffentlichen Papiere. Wie im vorhergehenden Beispiel aufgezeigt wurde, sagt dies noch nichts über die Person und wo sie sich selbst innerlich verortet, wenn dies überhaupt möglich oder nötig ist. Mehrere Identitäten sind möglich und manchmal auch nötig. Neben den oben genannten Beispielen gehören hierzu sogenannte Arbeitsnomaden aus dem Bau, der Schifffahrt, dem Fracht- und Logistikwesen etc. Sie decken alle gesellschaftlichen Schichten ab. Sie bilden selbst soziale Schichten in ihrem jeweiligen Umfeld (z. B. deutsche pendelnde Ärzte in Norwegen oder der Schweiz). Dies kann zeitlich begrenzt sein oder auch feste Strukturen haben. Im Bauwesen sind zeitliche Arbeitsprojekte auf den Einsatz temporärer Arbeiter (z. B. sportliche Großereignisse, riesige Bauprojekte) wie auch ständiges Betreuungspersonal (z. B. Kernkraftwerke, Dämme etc.) möglich.
Diaspora ist also keineswegs ein homogener Begriff, welcher nur eine Person oder Gruppe in der Fremde bezeichnet, er umfasst auch die zugrundeliegende Lebenssituation und wie es dazu kam. Diaspora ist zum einen eine Merkmalzuweisung von außen, die einer Person oder Gruppe als Identität zugewiesen wird, gleichzeitig handelt es sich aber auch um ein inneres Identitätsmerkmal, welches sich als „fremd“, „Fremde(r)“ oder „in der Fremde sein“ äußert.
In politischen oder sozialen Betrachtungen wird meist die Auswirkung einer Diasporasituation auf die Betroffenen selbst, sowie der sich als heimisch-betrachtenden Bevölkerung diskutiert. Dies ist ein weiterer Aspekt, der in die Betrachtungen einfließen sollte. Manche Diasporasituation wird erst im Verlaufe und beim Auftreten von soziologisch-politischen Spannungen bemerkt. Vorher konnte es sich um eine bis dahin unbemerkte Bewegung handeln. Hierzu zählt auch der Tourismus, der eine Migrationsbewegung darstellt, die zur temporären Diaspora führen kann. Für deutsche Touristen stellen Mallorca, die Ostküste Spaniens und die südliche Türkei eine temporäre Diaspora dar.
3. Auswirkungen der Diaspora – Personenkreise, Identität
Im Hinblick auf die drei eingangs erwähnten menschlichen Grundbedürfnisse (Pkt.1 a-c), welche sich in der Diaspora besonders auswirken, wird hier die Frage der „Identität“ begrenzt und zwar im Hinblick auf a.) Arbeit / soziales Engagement, b.) sprachlich-kultureller Rückbezug auf die „Heimat“, und c.) die Gestaltung der Zukunft.
Die Diaspora führt in der Fremde zumeist zur verstärkten Wahrnehmung der eigenen Identität (Hiebert & Hiebert 1995:285-286; Muslime in Europa in Hanciles 2008:125). Erst in der Erkenntnis des Fremdseins als Merkmal der Abgrenzung zum Neuen kann sich ein Spannungsfeld mit der eigenen, wie auch fremden Identitäten eröffnen. Ganz deutlich wird das an der politischen Organisation von radikalen Gruppen im Ausland. Prominenteste Beispiele in Deutschland sind die Kurdische Arbeiterpartei – PKK (Partiya Karkerên Kurdistanê) und zunehmend tritt die ISIS/IS (Islamic State of Iraq and al-Sham; Daesh) in das Blickfeld (zur PKK s. Bruinessen 1999:8-10). Beide Bewegungen werden als fremdgesteuert und damit der Diaspora zugeordnet. Friedliche politische Bewegungen, die sich um die Diaspora drehen gibt es unzählige. Die bekanntesten sind die Vertriebenenverbände, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg formierten. Die Diaspora wurde längst zur Heimat und doch wird auch von „Heimat“ in den Vertreibungsgebieten gesprochen (z. B. Salzborn 2000). Auch hier liegen mehrere Identitäten zugrunde.
Wie kennzeichnen sich die Identitäten, die sich in der Fremde entwickeln? Eine Diasporasituation wirkt sich auf viele soziologisch-politische Gruppen, Kulturen und Nationen aus:
1. Das Individuum oder die Gruppe, die sich in der Fremde befindet.
2. Die Kultur(en) in deren Nationalgebiet sich die Diaspora entwickelt,
3. Die Kultur(en) aus denen die Diaspora sich in die Fremde entfernt hat.
4. Internationale Institutionen und Organisationen, die sich für die Angelegenheiten, Nöte und Rechte sozialer Strukturen einsetzen.
Für die ursprüngliche „Heimat“ bilden die Gruppen in der Diaspora:
1. ein politisches Sprachrohr,
2. sie sind finanzielle Stützen und
3. sie ermöglichen die Ausreise durch (Familien-) Nachzug, Partnerschaften und dienen als illegale Anlaufstellen.
Für die neue „Heimat“ sind diese Diaspora-Gruppen Herausforderungen bei der sozialen und beruflichen Integration, Grund sich mit den politischen Situationen der Herkunftsländer zu beschäftigen sowie die Basis für eine gemeinsame Zukunftsgestaltung als Teil der sich dadurch neu konstituierten Gesamtgesellschaft.
Die deutsch-türkische Vergangenheit ist da besonders aufschlussreich, da sie alle diese Elemente aufweist. Ursprünglich waren es vor allem militärische Hilfen, die bereits ab dem 18. Jh. zur Einrichtung von türkischen Einheiten im preußischen Heer führten. Assimilation war in dieser Bewegung durchaus üblich. Dieser ersten türkischen Präsenz folgten die sogenannten „Gastarbeiter“ ab dem 30. Oktober 1961 (Gastarbeiter-Abkommen von Bad Godesberg). Damit wurde eine türkische Diaspora begründet. Nicht nur die zahlenmäßige Größe, sondern auch die Unklarheit des politischen Status dieses Personenkreises, sowie die Dauer des Aufenthaltes führten zu einer vorübergehenden Entfremdung zum deutschen Gastgeberland. Durch Nachzug und politisch-wirtschaftlichen Verschlechterung der Situation im Heimatland (türkische Militär Putsche 1960, 1971 und 1980; Staatskrise 1991-1994), sowie wirtschaftlicher Erstarkung der Diaspora wurde diese zum politischen Sprachrohr. Die türkische Diaspora setzt sich in der EU für Frauenrechte, die Kurden, Zaza, Aleviten, Armenier und sozialen Minderheiten (Homosexuelle, Trans- und Intersexuelle etc.) ein. Sie unterstützt finanziell die Angehörigen und politische Gruppen aktiv (z. B. PKK, Bauprojekte wie Mietshäuser), sowie passiv durch einen ausgeprägten Reisetourismus (Schlagwort: Auto-Putt der siebziger und achtziger Jahre durch Jugoslawien) und erstarkte durch einen ausgeprägten Nachzug von Familienangehörigen, sowie illegaler Einwanderung mit späterer Duldung.
Vergleichbare Bewegungen und Entwicklungen lassen sich für Frankreich aus den Maghreb-Staaten, die ehemaliges französisches Kolonialgebiet oder enge Handelspartner waren (Marokko, Algerien, Tunesien), sowie für Großbritannien aus dem asiatischen Commonwealth (Indien, Pakistan) aufzeigen. Hier spielen vor allem wirtschaftliche Gründe die Hauptursache. Fluchtbewegungen aus der Türkei können auf die Verfolgung der christlichen Armenier (1896 und 1915) im Übergang zur türkischen Republik sowie nicht-islamischer oder nicht-sunnitischer Gruppen (z. B. Yeziden, Aleviten etc.) aufgrund der Militärputsche in 1960, 1980 und den Unruhen von 1994-1996, wie auch politisch unruhiger Zeiten zurückgeführt werden. Hierbei spielen ebenso ethnische Gründe eine Rolle. Allen gemeinsam ist diesen Gruppen, dass sie über kurz oder lang in der Diaspora politisch aktiv wurden und sich auch religiös formierten. Im Heimatland führte die Einmischung aus dem Ausland wiederum zur erhöhten Spannung mit den zurückgebliebenen Gruppen.
Offensichtlich haben spanische, italienische und griechische Gruppen in der Diaspora, die in gleicher Weise aus dieser Zeit der Abkommen über Gastarbeiter stammen, ihre Identität(en) über den Weg der Integration und Assimilation gefunden. Hierbei muss beachtet werden, dass es zu einem gegenseitigen Miteinander der Diaspora und der Länder kam, in der sie sich etablierte. In Europa fällt auf, dass die islamisch-türkische Diaspora die größten Schwierigkeiten hat sich positiv und bereichernd zu integrieren und zu entfalten. Immer wieder flammt die religiöse Fragestellung auf, ob denn der Islam Teil deutscher Kultur sein könne. Wie auch immer man diese Frage beantwortet, es ist damit angezeigt, dass der Islam in Deutschland über die Entwicklungen rund um Migration und Diaspora angekommen ist. Damit ist er missiologisch zu bewerten und ein Ansatzpunkt für den interkulturell theologischen Dialog. Die soziologisch-politische Rückwirkung der Diaspora auf die Herkunftsländer wiegt schwer, wie die französische Beziehung zu den Maghreb Staaten und die deutsch-türkische Beziehung zeigen.
Die europäische Situation zeigt, dass sich die Aufnahmeländer auf lange Sicht wegen oder trotz der vielfältigen Diaspora-Situationen wirtschaftlich positiv entwickelten. Die Integration in den Arbeitsmarkt ist in allen Ländern überwiegend gelungen. Es ist aber auch nicht zu übersehen, dass es eine Zunahme der Gewaltkriminalität durch spezifische Diasporagruppen gibt. Vor allem die organisierte Drogen-, Beschaffungs- und Schmuggel-Kriminalität findet über die Diaspora europäische Märkte, die sie bedient. Hier ist vor allem der Drogenschmuggel aus Afghanistan über die Türkei zu nennen an der viele auf dem Weg zum Verbraucher verdienen. Ebenso die Zwangsprostitution aus östlichen Ländern, die zum Menschenhandel und Human Trafficking von Ost nach West führte (Jürgs 2014). Ganz andere wirtschaftliche Bewegungen gibt es aus den asiatischen Staaten, die ökonomisch schlecht gestellt sind, in die reichen arabischen Staaten (Saudi Arabien, Kuwait, Vereinigte Emirate, Oman, Bahrein). Gleiches gilt aus dem Süden Amerikas in Richtung den nördlichen Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Generell geht diese Form der Kriminalität, der Menschenhandel und damit auch der ertragsträchtige Menschenschmuggel von arm nach reich. Die damit einhergehende Diaspora-Situation führt in die Illegalität und damit in die Kriminalisierung. Gleichzeitig sind es Diasporagruppen die sich an dieser Form der Kriminalität aufgrund ihrer Beziehungen und Netzwerke gerne beteiligen.
Es lässt sich also festhalten, dass die Diaspora-Situation sowohl positive als auch negative Folgen sowohl für das Individuum, wie auch für die Diaspora- und die Herkunftsländer hat. Besondere negative Folgen sind politische und religiöse Radikalisierungen, wirtschaftliche Verarmung von sozialen Gruppen, soziale ethnische Spannungen sowie die damit einhergehende Kriminalisierung (Ausländerstraftatbestände, Gewaltkriminalität). Herausragende positive Folgen finden sich in den langfristigen wirtschaftlichen Besserstellung von Individuen und Gruppen, der politischen und wirtschaftlichen Einflussnahme auf die Herkunftsländer durch Einbindung der politischen und wirtschaftlichen Institutionen, Gremien und der Medien als Sprachrohr, sowie den bereichernden interkulturellen Begegnungen.
4. Missiologische Überlegungen zur Diaspora
Wie können die Diaspora und die damit einhergehenden sozialen Phänomene missiologisch aufgegriffen werden? Zwei sich ergänzende missiologische Ansatzpunkte treffen zusammen. Da ist zum einen die Evangelisation, als christliches Mittel und Ausdruck der Kontaktaufnahme und Kommunikation mit den Mikrokulturen, die als Diaspora wahrgenommen werden oder sich als solche empfinden (z. B. Derbe und andere Apg. 14:20-23). Zum zweiten ist da die Diakonie, als tatkräftige und tätige Unterstützung am Nächsten. Beides zusammen zielt auf die Überbrückung des Grabens zwischen Diasporasituation und der Wahrnehmung als „Fremde“ (z. B. Apg. 21:7 Paulus hat Zeit mit Menschen verbracht). Natürlich kann und soll das nur insoweit eingreifen, als es die Gruppe oder ein Individuum möchte. Manche Diasporasituation wird, wie bereits erwähnt, nicht wahrgenommen oder ist gewollt.
4.1 Generelle missiologische Überlegungen
Aus den oben beschriebenen Beobachtungen ergeben sich generelle missiologische Überlegungen, die sich in folgende, nicht abschließende, Punkte eingliedern lassen:
1. Missiologische Unternehmungen an Personen oder Gruppen in der Diaspora werden immer als politisch wahrgenommen. Diese politische Wahrnehmung geschieht, jeweils aus unterschiedlichen Blickwinkeln. So von der Diaspora selbst, von den in der Diaspora umgebenden nationalen oder dort innewohnenden Kulturkreisen, aus den im Herkunftsland beheimateten nationalen oder dort innewohnenden Kulturkreisen heraus, sowie nicht zuletzt von internationalen Organisationen oder Institutionen, die sich mit einer Diaspora-Gruppe beschäftigen (siehe oben bezüglich Personenkreise Nr. 1-4). Nimmt man die oben beschriebenen radikalen Gruppen als extreme Bandbreite so reichen die Reaktionen von aufopfernder Selbsthingabe (Sympathisanten) bis zur gewaltbereiten Bekämpfung der Diaspora. Im Hinblick auf diese Wahrnehmung sollten missiologische Unternehmungen selbst transparent und gut organisiert werden. Da viele solcher Unternehmungen im Privaten und auf lokaler Ebene anfangen ist es wichtig schnell die Öffentlichkeit zu suchen und die eigene Arbeit vorzustellen. Das nimmt manchen Kritikern zumindest teilweise die Möglichkeit falsche Schlüsse zu ziehen und polemisch zu diskreditieren (z. B. Proselytentum, Geheimdienstaktivitäten). Gegen falsche Anschuldigungen und Verleumdungen kann man sich nicht schützen.
2. In der Diaspora bilden Gruppen selten eine homogene Einheit. Vielmehr spiegeln sie die Ursprungs-Kultur wider und setzen sich aus einem Sammelsurium von soziologischen Strömungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten zusammen. Gemeinsame Nenner sind die Sprache, die Ableitung eines gemeinsamen Ursprungs der sich durch Traditionen, Mythen und lokalen Zuweisungen ergibt. Hierdurch verortet sich eine soziale Mikrokultur in ihrer Umgebungsgesellschaft und definiert sich über diese Bindungen. Ebenso wird sie von außen anhand dieser Merkmale definiert. Von außen können jedoch auch oberflächliche oder falsche Kenntnisse zu einer Gruppenzuweisung führen. Hier wären Bezeichnungen wie die „türkischen Gastarbeiter“ oder „Türken“ zu nennen, die sowohl auf kurdische (Kurmanji-Sprecher), zazaische (Zazaki-Sprecher) und auch aramäisch-syrisch orthodoxe Menschen aus der Türkei angewandt werden. Die Begriffe „Afrikaner“ oder „Schwarze“ treffen dagegen auf alle dunkelhäutigen Menschen zu. Die Umschreibung „die Ausländer“ ist dagegen sehr allgemein und dient der Abgrenzung zur eigenen nationalen Festlegung. Aus missiologischer Sicht ist die sprachlich-anthropologische Annäherung an eine Gruppe geboten. Die größte Hürde, nämlich die Sprache, ist in der Diaspora durch die Nationalsprache leichter zu überbrücken, als dies im Ursprungsland der Fall wäre, wo die dortige National- oder Verkehrssprache eine zusätzliche wichtige Bedeutung hat. Dennoch ist eine Grundkenntnis der Muttersprache ein Weg ins Zentrum der Kultur. Diese inzwischen zum Politikum erhobene Erkenntnis führt als Forderung, zumindest in Deutschland, zu intensivem Deutsch-Erlernen durch Migranten. Als anthropologische Annäherung bietet sich eine ethnographisch orientierte Untersuchung der kulturellen Unterschiede zur eigenen Kultur an. Dabei sollte mit einigen herausragenden Beobachtungen begonnen werden, um dann ins Detail zu gehen. Meist sind es die Kleidung (z. B. Kopftuchdebatte), der Umgang der Geschlechter miteinander und untereinander (Segregationsmuster) und die religiöse Struktur (z. B. Islam, Alevitentum, Sufismus, Parsismus) die interessieren. Die damit einhergehenden Erkenntnisse bilden kommunikative Ansatzpunkte (Evangelisation), sie weisen auf strukturelle Nöte hin, was diakonisches Handeln fordert.
3. Die Gründe oder Ursachen für eine Diasporasituation bringen teilweise Traumatisierungen mit sich. Diese werden verdrängt, negiert oder auch als Mittel zur Erschleichung von Leistungen benutzt. Die Traumata können durch Zuwendung und Diakonie überwunden werden. Gefährlich wird es dann, wenn mit einer überheblichen oder sich überschätzenden Haltung an dieses Problem heran gegangen wird. Wichtig ist es auf Fachpersonal (seelsorgerlich-therapeutische oder psychologische Fachleute) zurückzugreifen und geschlechterspezifische Eigenheiten zu beachten. Ganz anders verhält es sich mit der nicht zu unterschätzenden Anzahl an Abenteurern die aus Perspektivlosigkeit die Heimat verlassen haben. Insofern diese zugänglich sind ist die Diakonie auf die Spracharbeit zur Eingliederung und die Hinführung auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet.
4.2 Einzelfallüberlegungen
Hierunter fallen Fragen nach der Identität, Anknüpfungspunkte zum christlichen Glauben und die kreative Einbindung in diakonische Strukturen.
4.2.1 Identität(en) – In der Diaspora
Ein Ansatzpunkt missiologischen Handelns ist die Fragestellung der Identität. Dies umso mehr, da die eigenen Festlegungen von Identitäten durch die biblische Botschaft hinterfragt werden können. Die diesbezüglichen Fragen drehen sich um die Verortung von Identität(en)? Wie identifizieren sich die Migranten selbst? Welche Identität(en) werden ihnen von außerhalb gegeben? Hierbei spielt das Begegnungsfeld der ursprüngliche(n) „Heimat(en)“ sowie der neuen „Heimat“ eine wichtige Rolle. Viele Erfahrungsberichte der zweiten und dritten Generation von Migranten weisen auf dieses Spannungsfeld. Dies gilt besonders, wenn sie in einem neuen Heimat-Staat aufgewachsen und dortige Staatsbürger sind und sich auch als solche empfinden, und sie immer noch auf ihr vermeidliches Herkunftsland, ihre Hautfarbe, ihr Kraushaar oder auf ihre Eltern angesprochen werden und sie als „Fremde, Ausländer“ klassifiziert werden.
Eine nationale Identität ermöglicht es, sich im dortigen Kontext politischer und sozialer Möglichkeiten zu bewegen. Dazu gehören Bürgerrechte und –pflichten. Ihnen sind die allgemeinen Menschenrechte übergeordnet (z. B. UN Menschenrechtscharta). Die Bürgerrechte eines Staates sind nur in Teilen für Diasporasituationen anders gestaltet, ansonsten gelten die Strafvorschriften und der Maßregelvollzug für alle. Besondere spezifische Verpflichtungen, wie z. B. der Spracherwerb zur Teilnahme am Arbeitsmarkt oder die zeitliche und räumliche Begrenzung des Aufenthaltrechtes, und weitere spezifische Rechte, wie z. B. die Dauer des Aufenthaltes zur Erlangung von Sozialleistungen, treffen nur auf Migranten und damit die Diaspora zu. Die Zugehörigkeit zu einer nationalen Identität stellt die Grundlage für Reisen ins Ausland und für bürokratische Aktivitäten (Wohnsitzanmeldung, Kontoeröffnung, Fahrzeugzulassung) dar.
Die Identitäts- und damit die Zugehörigkeitsfrage sind für die christliche Evangelisation eine Herausforderung. So wird aus theologischen Gründen die nationale Identität oft als unwichtig identifiziert und um eine geistliche und globale Perspektive erweitert. Die Teilhabe an der globalen-zeitlosen Kirche wird, aus einer geistlichen Dimension heraus, als die eigentliche postuliert. Grundsätzlich bietet diese Idee die Möglichkeit zur Überwindung nationaler Begrenzungen im Rahmen der Weltkirche. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass nationale Gesichtspunkte von je her auch in der Bibel eine Rolle spielten. Sie werden als gegebene Realitäten vorausgesetzt, ja bewusst erwähnt. So ist die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk von Bedeutung wie die Apostel, Jesus Christus und die alttestamentlichen Erzväter und Propheten es in Abgrenzung zu den Philistern, Kanaanitern, Ägyptern, Assyrern, Babyloniern, Griechen und Römern beweisen. Aber auch die Zugehörigkeit zu nicht-jüdischen politisch-nationalen Größen wird aufgezeigt, wie den Samaritern oder der Dekapolis. Der Apostel Paulus hat sowohl von seinem Recht als jüdischer Bürger unter dem Namen Saulus von diesem Gebrauch gemacht (Apg. 9:14 i. V. m. 8:1, 3 und 9:1), wie auch von seinem römischen Bürgerrecht (Apg. 22:27). Die sprachliche und kulturelle Identität eines Menschen gibt Einblick auf seine Vorstellungen von der Welt (Weltbild) sowie seiner früheren Umwelt. Sprache spiegelt beides wieder. Kennt man solche sprachlich-kognitiven und anthropologischen Zusammenhänge, dann ist es auch einfacher sich inhaltlich dem Gegenüber zu nähern. Die Grundbedürfnisse nach Arbeit, einen Ursprung (erste „Heimat“) und Teilhabe an der Zukunftsgestaltung spiegeln diese Identität wider.
Die Motivation der Migration beruht auf wirtschaftlichen, politischen oder persönlichen Gründen und bewirkt die Abwendung von der Heimat. Aus diesem Grund ist es wichtig sich der dortigen Situation etwas bewusst zu werden und auch die möglichen Beweggründe einer Migration zu kennen. Dies ist aus allgemeinen Quellen und nicht von den Betroffenen zu erfragen. In den meisten Fällen streuen Fragen über die Migrationsgründe nur Misstrauen und hemmen das Verhältnis. Dies gilt im Übrigen auch für persönliche Fragen über sichtbare körperliche Behinderungen oder seelische Traumata (Krieg, Kriminalität, Unglücke). Letzteres ist aus humanrechtlichen Gründen auch nicht erlaubt, wird jedoch schnell strafrechtlich relevant, falls solches Wissen veröffentlicht würde oder Zwang nachweisbar wäre. Es ist hier also Vorsicht geboten. Für ethnographische Studien ist daher das Einverständnis zur Aufnahme, Niederschrift und Bearbeitung der Daten nötig. Im Falle langwieriger Forschung ist gegebenenfalls die Erlaubnis zu wiederholen.
Die „Identität“ in der Diaspora betrifft sowohl die Vergangenheit, was man war, als auch die Zukunft, was man werden will (erste „Heimat und Zukunftsgestaltung). Ständig sind Migranten unbewusst mit diesem Dilemma konfrontiert. Über die Kinder, politische Veränderungen in dem Aufenthaltsland als auch den Herkunftsländern und zuletzt die eigenen Kompetenzen (berufliche Erfolge oder Versagen, soziale Abhängigkeiten) ist die Frage ständig mit welcher Kultur, welchem Staatsgebilde man sich mehr identifiziert. Schon seit je her gab es wirtschaftliche, wie auch politische Migrationsbewegungen, nur war in den wenigsten Fällen, wie heute eine enge Verknüpfung zum Herkunftsland aus politischen oder finanziellen Gründen möglich. Visaregelungen, günstige und umfangreiche Mobilitätsangebote (Flug, Auto, Bus, Zug) und zuletzt globale Abkommen im Bankwesen ermöglichen enge Beziehungen. Heute sind finanzielle Verknüpfungen möglich. Mietshäuser, Grundbesitz und Firmen in den Herkunftsländern bilden die Regel (eigene Beobachtungen unter türkischstämmigen Migranten). Diese Entwicklungen machen es noch schwerer sich für eine Identität zu entscheiden und sind für unterschiedliche von außen zugewiesene und eigens empfundene Identitäten zuständig. Migranten die aus religiösen oder politischen Gründen verfolgt wurden, haben sich in langer Arbeit im Aufenthaltsland eine Zukunft geschaffen. Ab einer gewissen finanziellen Absicherung treten jedoch die Gesetze der soziokulturellen Verpflichtungen gegenüber den im Heimatland Verbliebenen in Kraft. Dies führt zu einer wirtschaftlichen Rückbindung. Bereitstellung von Wohnraum, Rückkauf von ehemaligem Besitz und damit einhergehende Präsenz im ehemaligen Heimatland führen zu neuen Spannungen und Herausforderungen.
Die hier aufgezeigten Entwicklungen deuten die tiefe Verbundenheit mit der Herkunftskultur als erste „Heimat“ an. Die missiologische Planung muss die Annäherung und diese Identitätszuweisungen, des „sowohl Hier als auch Dort“ verstehen und beachten. Menschen in der Diaspora können, und wollen meist bewusst mit diesen unterschiedlichen Identitäten leben. Sie gehen damit nicht hausieren, da es auch Spannungsfelder zur Umgebungskultur oder auch zur Herkunftskultur geben kann. Nur selten geschieht es, dass gar keine Identität als „Heimat“ kategorisiert wird, doch kann das Geflecht für Außenstehende undurchsichtig sein. Die von den Migranten selbst empfundene Identität stellt die Ausgangsbasis für die Begegnung dar, auch wenn sie überbetont und idealisiert wird. Dies kann zu befremdlichen Absonderungen führen, wie die Betonung sich nicht durch den Umgang mit „westlichen“, fremdreligiösen Menschen „beschmutzen“ zu wollen (Purifikations-Phänomen). Nichtsdestotrotz sind auch solche Einstellungen, Ausgangsbasis für evangelistische und diakonische christliche Ansätze.
4.2.2 Anknüpfungspunkte an den christlichen Glaube – Diaspora und Kirche
Die genannten Grundbedürfnisse nach a.) Anerkennung durch Arbeit bzw. Sozialem Engagement, b.) die Rückbesinnung auf einen sprachlichen und kulturellen Rahmen als „Heimat“ und c.) einer gesunden Lebens-Neugierde, um die (eigene und gesellschaftliche) Zukunft zu gestalten bilden hervorragende Ansatzpunkte, da sie in der biblischen Botschaft elementar behandelt und aus kirchlicher Perspektive kontextualisiert werden.
Verschiedene Identitäten bringen viele Lebenserfahrungen mit sich. Diese sind nicht nur positiv im Sinne einer Horizonterweiterung, sondern können auch negativen Ursprungs sein und von Gewalt und Zerstörung her rühren. Die globale Zunahme religiöser Bewegungen während des 20. Jh. rührt unter anderem von den Menschheitserfahrungen der beiden Weltkriege, dem rasanten Wirtschaftsaufschwung und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Schere zwischen den Industrienationen und der Zweidrittelwelt. Zunehmende Umweltkatastrophen, Klimaveränderungen und der expansive Bevölkerungswachstum tragen dazu bei, dass Religionen wichtige identitäts– und gesellschaftsbildende sowie –bindende Faktoren darstellen.
Wo sich Mikrokulturen abzeichnen, die sich aus sprachlichen, gesellschaftlich-kulturellen oder anderen Gründen als Ansprechpartner für christliche Bemühungen herauskristallisieren, da zeichnet sich immer auch ein Profil ab, wie sich diese zu christlichem Engagement stellen. Die Bandbreite geht von Ablehnung oder Gleichgültigkeit bis zur Akzeptanz und Offenheit gegenüber neuen Ideen (gesunde Neugier). Unabhängig von dieser Einstellung sind materielle Bedürfnisse, wie Existenzabsicherung, Lebensversorgung und Teilhabe am öffentlichen Leben vorhanden, die befriedigt werden wollen (Anerkennung durch Arbeit / soziales Engagement). Letzteres Bedürfnis ist leider aufgrund der Biographie von Jesus Christus wie sie überliefert ist nur hintergründig für die Kirche von Belang. Die Selbstversorgung als Zimmermann bis zu seinem öffentlichen Auftreten mit ca. 30 Jahren wird nur mittelbar deutlich. Die Tatsache, dass es keine Anklagen aus dieser Zeit gibt weist darauf hin, dass die Arbeit zuverlässig gehandhabt wurde (Mk 6:3). Abzuleiten wäre die soziale Anerkennung und innere Befriedigung die Jesus von Nazareth dadurch erfuhr. Nichtsdestotrotz hat sich die Kenosis (Entäußerung) der Gottheit dadurch inkarnatorisch manifestiert, dass Jesus ein Handwerk ausübte und sich und seine Nachfolger erst ab seinem öffentlichem Wirken von der Versorgung durch Jünger(innen) abhängig machte (Mk 3:20; 7:24; Lk 5:29; Speisewunder etc.).
Die Gemeinde kann durch Netzwerke und Verbindungen zu sozialen und öffentlichen Trägern (Krankenhäuser, Verwaltungen, Dienstversorger etc.) Verbindungen herstellen, die es ermöglichen auch diakonische Attribute in das Gemeindeleben aufzunehmen (Grundbedürfnis a). In der Verknüpfung von diakonischem Engagement mit gemeindebaulichen Elementen werden die Migranten nicht nur zur eigenen sozialen und finanziellen Versorgung angeregt, sondern sie erfahren auch mehr über gemeindlich-kirchliches Leben. Die Konfrontation mit christlicher Lehre, Lebensweise und gemeindlichem Leben stellt meist auch eine interreligiöse Erfahrung dar. Dies stellt eine Herausforderung für die Kirche und Gemeinde dar, da apologetische Elemente zur Reflexion der eigenen Position zwingen. In diesem Bereich ist die interkulturelle Begegnung und interkulturelle Kommunikation besonders zu beachten. Dies bedeutet auch die „erste Heimat“ der Migranten im Blick zu haben (Grundbedürfnis b). Dortige christliche Aktivitäten (ansässige Kirchen, christliche Präsenz durch Entwicklungshilfe etc.), die gesprochenen Sprachen, die nationale und ethnische Geschichte, sowie Führungspersönlichkeiten und soziale Strukturen sind von Bedeutung. Weltweit finden sich mehrheitlich Stammes- oder nach Blutslinie aufgeteilte soziale Strukturen, denen einzelne Führungseliten (Stamm oder Heroenfamilie) vorstehen. Diese Eliten bilden die Mediatoren zur Umgebung, sie sind Sprachrohr und Filter für gesamtgesellschaftliche Forderungen und Entwicklungen. Die europäische Tradition sogenannter Städtepartnerschaften ist ein Vorbild für Kirchen und Gemeinden sich zu Vernetzung. Internationale Partnerkirchen oder Partnerschaften zu sozialen Einrichtungen weiten den Blick und bieten ein Betätigungsfeld für Migranten, junge Leute und auch Rentner. Die eigene und gesellschaftliche Zukunft zu gestalten und dabei die gesunde menschliche Neugier zu befriedigen ist im Rahmen der Kirche durch diakonisch-politisches Engagement möglich (Grundbedürfnis c). Die lokale Vernetzung mit den verschiedensten Institutionen (Ausländerbeiräte, Inklusionseinrichtungen, Stadtteilverantwortliche) bildet das Fundament solcher Aktivitäten. Nachdem Deutschkenntnisse vorhanden sind stehen Migranten solche Vernetzungen zur Verfügung, oder sie können sich aktiv dafür einsetzen. Diese Win-Win Situation dient der christlichen Gemeinde und Kirche genauso wie den Akteuren.
4.2.3 Kreative Einbindung in diakonische Strukturen
Es wäre nun unverantwortlich zu sagen, dass die Diaspora ein leichtes Feld für christliches Engagement wäre. Sprachliche und kulturelle Hürden gilt es zu überwinden. Diesem Hindernis steht die eigene Erfahrung und Überlegenheit im eigenen sozio-kulturellen Kontext gegenüber. Eine Grenz-Überschreitung bietet der Gemeinde und Kirche die Möglichkeit, an Zahl und Erkenntnis zu wachsen. Wie auch immer, es bleibt abzuwägen welche Angebote der Gemeinde den Migranten dienen und welche nötig wären um die genannten Grundbedürfnisse abzudecken. Im Hinblick auf das Bedürfnis nach Anerkennung durch Arbeit und sozialem Engagement (Grundbedürfnis a) sind die Ansätze der „Transformation“ erfolgversprechend. Stadtteilarbeit und soziale Einrichtungen (z. B. Second Hand Kleiderläden, Kinderkrippen, christliche Shops / Kaffees) bieten Anlaufstellen aber auch potentielle Arbeitsplätze. Die Vernetzung mit solchen Einrichtungen und die Hinzuziehungen öffentlicher Einrichtungen (z. B. Bundesagentur für Arbeit, Sozialamt / Amt für Integration) ist ein weiteres Standbein. Dem Grundbedürfnis sich auf den eigenen Ursprung zurück zu beziehen (Grundbedürfnis b) kann begegnet werden indem über die Sprache und Kultur Informationen eingeholt werden und so Anknüpfungspunkte hergestellt werden. Kontakte in die Heimat durch die Kirche oder Gemeinde wäre ein nächster Schritt. Partnerschaften mit Schulen, Führungspersönlichkeiten und –eliten können auf lange Sicht zum Austausch von Erfahrungen, Besuchskontakten und anderem führen.
Die Gestaltung der Zukunft ist sowohl eine geistliche als auch soziale Herausforderung für die Kirche (Grundbedürfnis c). Theologisch ist dabei die Besinnung auf eine Entrückung, bzw. baldige Erlösung der Gläubigen (1 Thess 4:17) eine kontraproduktive Eschatologie, der die gemeindliche Vorbereitung und Zukunftsgestaltung der Gemeinden durch die Apostel diametral entgegensteht. Die neutestamentlichen Gemeinden wurden auf lange Sicht auf die Konfrontation mit Andersdenkenden vorbereitet und die dafür nötigen Strukturen, sowie theologisch-missiologischen Grundsteine gelegt. Hierzu gehören die geistliche Zurüstung (Eph 6:11-20), die Hinweise auf die zukünftigen Dinge und die Bewährung im Glauben (Offbg; Hebr 11:1-11; etc.) und zuletzt die Zusage, dass erst die Wiedererscheinung des Christus das neue Zeitalter einleitet (Apg 1:10-11). Homiletisch muss die Verkündigung und Evangelisation die gestalterische Kraft der Kirche im Blick haben. Soziale Projekte sind auf die Gestaltung der Umwelt, der gesellschaftlichen Strukturen und die Einbindung unterschiedlicher Kulturen, Minderheiten und Randgruppen aufzubauen. Dabei sind vor allem marginalisierte Gruppen, wie Menschen mit Beeinträchtigungen, Menschen unterschiedlicher Herkunft oder auch anderer sexueller Ausrichtung als Teil einer Gesellschaft einzubeziehen, welche Diversitäten widerspiegelt. Es ist durchaus sinnvoll solche Projekte außerhalb des eigenen Rahmens durchzuführen, da dies den Angesprochenen mehr Bewegungsspielraum lässt. Bauliche Hindernisse sollten allerdings kein Hindernis zur Beteiligung darstellen, wie dies oft für Menschen mit Mobilitätseinschränkung der Fall ist. Migranten mit solchen Einschränkung hätten bei solchen Hindernissen eine doppelte Hürde zu bewältigen, da die eigene Mobilitätseinschränkung schon von vielem im eigenen Umfeld ausschließt.
Bibelübersetzung und Diaspora
Ein nicht unbedeutender Teil des christlichen Auftrages kann darin gesehen werden, dass den Sprachgruppen dieser Welt die Heilige Schrift sprachlich und kulturell zugänglich gemacht wird. Dies lässt sich aus dem jesuanischen Lehr- und Vermittlungsauftrag zur Jüngerschaft (Mat 28:18-20) ableiten. Wie dies in der Offenbarung als eschatologischer Grundsatz ausgedrückt wird, stehen einst vor dem Thron Gottes Menschen aus allen Sprachen und Nationen (Offbg. 5: 9-10, 13).
Von Beginn der Kirche an wird diese Vervielfältigung der Kirche durch muttersprachliche Bibelübersetzungen praktiziert. Die bekanntesten Beispiele bilden die griechische Septuaginta des 2. Jh. vor Christus, die zur Grundlage der Kirche wurde, die syro-aramäische Peschitta (2. Jh. V. Chr.), die lateinische Vulgata ab dem 4. Jh., die slawischen, und gotischen Bibelübersetzungen. Ab dem 19. Jh. nehmen die Arbeiten an Bibelübersetzungen in immer kleinere Sprachgruppen zu. Das Jahrhundert der Bibelübersetzungen wird von zahlreichen Einzelinitiativen, von Organisationen und von der Kirche getragen. Dabei spielen von Anfang an Diaspora-Gruppen eine erhebliche Rolle, weil sie oft als bi- oder polylinguale Vermittler in der Lage waren die Bibel aus der Lingua Franca in die Muttersprache zu übertragen. Insgesamt kommt bis heute dieser Gruppe die besondere Bedeutung zu, dass sie im Kontakt mit dem Christentum, den eigenen Sprach- und Kulturraum durch die Übersetzung der Bibel bereichern. Dies liegt zum einen daran, dass die Migrationserfahrung zu einer mehr oder weniger Offenheit für die neue Umwelt, deren Kontexte und Ideen bietet, zum anderen generiert die Sehnsucht zur Heimat auch ein Mitteilungsbedürfnis über die neue Situation in der man sich befindet und dabei wird ein transkultureller Prozess angestoßen.
Das Projekt einer Bibelübersetzung als transkultureller Prozess bietet die Möglichkeit, im Teamgefüge die linguistischen, theologischen und soziologischen Punkte gemeinsam zu bearbeiten. Das Diaspora-Gefälle von der nationalen Kultur hin zur Migrationskultur stellt eine besondere Herausforderung dar. Dabei bildet die angesprochene Identitätsfrage eine Schlüsselrolle. Durch ein Produkt, mit welchem sich eine nationale Kultur identifiziert, und darum handelt es sich bei der Bibel, wird ein Teil des Kulturgutes an eine Migrationskultur weiter gereicht. Diese Interaktion bewirkt in beiden gesellschaftlichen Gruppen eine From von Annäherung, die von der Kirche aufgegriffen werden kann. Für die Migrationskultur ist die Beschäftigung mit einem fremden Kulturgut eine Herausforderung, da die Reaktionen darauf nicht vorhersehbar sind.
Es ist nötig an diesem Punkt auch Revisionen oder Neuübersetzungen, die im Ausland von der Diaspora gefertigt werden, von christlich geprägten Migrationskulturen zu erwähnen, da dies die einheimische Kirche in der Heimat herausfordert (z. B. aramäische Übersetzungsprojekte in USA und Europa). Zum einen gilt es die Frage zu beantworten, warum eine Revision nicht von der Kirche im Heimatland geleistet wird und zum anderen ist die Absprache bzw. die Mitarbeit zwischen dem Bibelübersetzungsprojekt und der heimischen Kirche unabdingbar nötig, um die nötige Akzeptanz zu erhalten. Nichtsdestotrotz spielt auch hier die Diaspora eine wichtige Rolle, da sie kreativ und unabhängig von einheimischen Einflüssen übersetzen kann.
Bibelübersetzungsprojekte in der Diaspora bieten vielfältige Vorteile, haben jedoch auch Herausforderungen zu meistern. Die Vorteile sind zum einen, eine große politische und persönliche Sicherheit für alle Beteiligten, da sie meist im kleinen Rahmen, mit wenig Öffentlichkeitsbeteiligung in urbanen Situationen stattfinden. Des Weiteren sind Diasporakreise meist gut miteinander verdrahtet, sodass schnell aufeinander eingegangen und reagiert werden kann. Zuletzt bietet die Diasporasituation auch schnellen Zugriff auf akademische und technologische Ressourcen, da Bildungseinrichtungen nahe bei sind und unbeobachtet genutzt werden können. Als Herausforderungen ist zu nennen, dass Diasporagruppen keine homogenen Einheiten sind und es schwierig ist die oft wenigen Interessierten zu finden und zu mobilisieren. Hierzu gehört auch, dass es schwierig ist, die Balance zu halten, zwischen einem effektiven Management durch externe Projektleitungen, Berater, der finanziellen Unterstützung und dem Gefühl, dass das Projekt im Besitz des Übersetzer-Teams ist. Ebenso ist gerade das Leben in der Diaspora für die Migranten schon aufwändig und durch viele Konflikte belastet, sodass ein Bibelübersetzungsprojekt noch zusätzliche Belastungen mit sich bringt.
Zusammenfassung
In diesem Artikel wurden die Ursachen und Auswirkungen von Migration im Hinblick auf die Diaspora beleuchtet. Diaspora, als komplexe soziale Erscheinung, ist in freiwillige und zwangsläufige, wie auch zeitlich einzugrenzende Migration, die zur Diaspora führt zu unterscheiden. Dabei lassen sich äußere Zuweisungen, wie auch innere Empfindungen über Diasporasituationen nicht gegeneinander ausspielen. Wo und wie sich ein Migrant oder Mensch, oder eine Gruppe als Diaspora definiert bleibt zuletzt den Akteuren selbst überlassen. Nichtsdestotrotz sind typische Kennzeichen, Wahrnehmungen, Herausforderungen und Vorzüge erkennbar, die von außen an die Diaspora angelegt werden kann. Diese Studie bezieht sich somit auf Migranten in der Diaspora. Für den missiologischen Ertrag konnte die Perspektive auf drei Grundbedürfnisse verengt werden: a.) das Bedürfnis nach Anerkennung durch Arbeit bzw. soziales Engagement, b.) das Bedürfnis sich auf einen sprachlichen und kulturellen Rahmen als „Heimat“ zu besinnen, und c.) das Bedürfnis einer gesunden Lebens-Neugierde nachzukommen, um die (eigene und gesellschaftliche) Zukunft zu gestalten. Im Hinblick auf die Frage nach der „Identität“ bzw. den „Identitäten“ die durch eine Diasporasituation generiert werden, wurden die Herausforderungen, aber auch die Erfahrungszugewinne für Kirchen und Gemeinden beleuchtet. Kreative Ansätze zur diakonischen Einbindung von Menschen, die in einer Diasporasituation leben, helfen diesen Identitäten gerecht zu werden, gleichzeitig aber auch die Bedürfnisse anzugehen. Die Stadtteilarbeit und enge Vernetzung mit lokalen Organisation und Institutionen ist hilfreich um Beschäftigungs- und Engagementoptionen zu eröffnen (Bedürfnis a). Diese diakonische Linie wird durch die persönliche Zuwendung im Hinblick auf die „erste Heimat“, Sprache und Kultur unterstützt. Dabei spielen Kontakte zu den sozialen Führungseliten dort eine Rolle (Bedürfnis b.). Die Zukunftsplanung wird durch die Einbindung in die gemeindliche Struktur und den verknüpften Gremien ermöglicht. Selbstständige Aufgaben für die Menschen aus der Diaspora bilden den Höhepunkt christlicher Aktion. Die Sprache und Kultur der „neuen Heimat“ ist immer als Fundament für jegliches Miteinander zu verstehen. Bibelübersetzung als kirchlicher Auftrag bildet eine transkulturelle Verbindung zwischen den beteiligten Kulturkreisen und kann dazu dienen im kirchlichen Bereich, die Brücke zu schlagen. Das Wort Gottes als Mitte für Gläubige unterschiedlicher Kulturkreise ist Merkmal der globalen Kirche, da die gleiche Offenbarung nun in der jeweiligen Muttersprache zur Verfügung steht.