Rezension: Morton, Jeff 2012. Insider Movements: Biblically Incredible or Incredibly Brilliant?
Morton, Jeff 2012. Insider Movements: Biblically Incredible or Incredibly Brilliant? Eugene: Wipf & Stock, 126 Seiten.
werner [at] forschungsinstitut.net
Jeff Morton ist Professor an der Biola University’s Cook School of Intercultural Studies. Wie schon in seinen vorhergehenden Werken Two Messias (2011) und als Mit-Herausgeber von Chrislam (2011) hat er sich im vorliegenden Werk, im Rahmen von 12 kurz gefassten Artikeln, mit sogenannten „Insider Movements“, auch „Jesus Movements“ genannt, auseinandergesetzt. Angelehnt an Bewegungen, die Jesus als dem „Messias“ (Messias Movements) folgen (z. B. messianische Gläubige jüdischen Hintergrunds) untersucht er solche aus dem islamischen Bereich. Morton geht dabei auf die – für die gesamte Diskussion sehr hilfreiche – Unterteilung in religionstheologisches Verständnis, biblische Grundlagen und das Verständnis von Bekehrung / Umkehr ein. Diese drei Bereiche durchleuchtet er anhand der von den Hauptbefürwortern Kevin Higgins (Global Team; IJFM 2004-2009), Lewis Rebecca (Frontiers; IJFM 2007-2010), Dudley Woodberry (Fuller Seminary; 1989; 1996; 2007) und Rick Brown (SIL International; IJFM 2004-2010) getroffenen Aussagen in Evangelical Missions Quarterly (EMQ) und dem International Journal of Frontiers Mission (IJFM). Aufgrund ihrer Aktualität wird die im April 2013 erschienene ablehnende Haltung der World Evangelical Alliance (WEA) bezüglich Islam-kontextualisierter Terminologie in Bibelübersetzungen nicht behandelt. Fragen der Identität der moslemischen Messias Nachfolger, dem Verständnis von Kirche und der Übersetzung für den Islam anstössiger Terminologie in Bibelübersetzungen oder Schriftmaterial beantwortet er in seinen anderen Publikationen.
Gleich in der Einleitung und im ersten Kapitel macht Morton deutlich, dass er den Islam als „false religion with a false message about a false hope delivered by a false prophet, and written in a book filled with false claims“ (S. 9; Hervorhebungen im Original. EW) betrachtet. Um die, seiner Meinung nach, gravierenden Unterschiede zwischen dem biblischen und koranischen Gottesverständnis aufzuzeigen, benutzt Morton die Eigennamen Yahweh und Jesus im Kontrast zum islamischen Allah. Dabei wird für ihn die anti-christliche Ausrichtung des Islam vor allem am koranischen Textinhalt deutlich, den er durchgängig als Belegstelle aufzeigt.
Kapitel zwei beleuchtet die Vorstellung eines laut Higgins originären orthodoxen Islam, welcher sich von innen durch Messianische Moslems erneuert und gar nicht so weit von urchristlichen Ansichten entfernt sei (S. 14). Anhand des zentralen Ereignisses der Inkarnation Jesu zeigt er den „antichristlichen Geist“ (S. 17) des diese ablehnenden Islam auf. Im Weiteren bespricht Morton anhand ausgewählter biblischer Textbelegstellen von Befürwortern der Insider Bewegung seine drei Hauptargumente (siehe oben).
Im Weiteren bespricht er Gen 14:17-20, das Auftreten des Königs von Salem Mechisedek (Kapitel drei). Higgins sieht in dieser Perikope ein Handeln Gottes (El in V. 18 in Anlehnung an semitisch Elohim und Allah) in anderen Religionen, namentlich der Religion Melchisedeks, welcher eine Vorausschattung des Messias darstellt. Morton lehnt dies ab. Letzterer nimmt an, dass Melchisedeks Religion, ähnlich wie die des Abraham, dem Kern nach den wahren Gott Yahweh anbetete und deshalb bei Yahweh Beachtung fand.
In Kapitel vier bespricht Morton 2 Könige 5:15-19. Die Geschichte Naamans und dessen Heilung von Lepra durch den Propheten Elisa ist laut Higgins ein weiterer Hinweis darauf, dass ein Gläubiger in seinem religiös-kulturellen Umfeld verharren soll. Die Tatsache das Naaman von Israels Erde nach Aram mitnahm zeigt, dass er mit der Erlaubnis des Propheten in seiner kulturell-religiösen Tradition bleiben sollte. Über die biblische Verknüpfung des Besitzes von der Erde Israels und den nun von ihm verehrten Gott Israels (V 15, 17) zeigt diese Geschichte dass man Yahweh auch als Nicht-Israelit anbeten kann. Am, Ende wehr Morton solches als Argument aus dem Schweigen ab, da keine qualitative Aussage über die Stellung Naamans im Verhältnis zum Gott Abrahams getroffen würde.
In Kapitel fünf bespricht Morton Jona 1 und die Stellung des Propheten und der Schiffsbesatzung als Beweis für nicht-jüdische Yahweh Verehrung. Deren Beziehung zu Yahweh, allein aufgrund der erwähnten Gebete, kann seiner Einsicht nach nicht als Beweis für eine wirkliche Gottesbeziehung gelten.
Johannes 4 und Apostelgeschichte 8 sind weitere Stellen die von Befürwortern als Belegstellen nicht-jüdischer Anhänger des Yahwe-Kultes gelten und beweisen sollen, dass diese Volksgruppen in ihrem religiös-kulturellen Umfeld geblieben sind (Kapitel 6). Die Bekehrungen aus dem Volk der Samaritaner werden von Befürwortern oft als Beispiel für Insider Movements gesehen (S. 36-37). Morton schließt eine solche Ableitung aber wiederum aus dem Argument des Schweigens aus. Da nicht über eine detaillierte Umkehr der Samaritaner gesprochen wird kann man darüber auch nichts sagen.
Apostelgeschichte 15:19-21 (Kapitel 7), Apostelgeschichte 17:22-23, 28 (Kapitel 8), 1 Korinther 7:17-20 (Kapitel 9) und 1 Korinther 9:19-23 (Kapitel 10) runden die Betrachtungen ab, wobei die Argumentation ähnlich bleibt.
In Kapitel 10 greift Morton einen hier bemerkenswerten Vergleich von Woodberry auf. Dieser sieht Ähnlichkeiten zwischen dem Dekalog aus Exodus 20 und denselben Geboten im Koran. Morton vergleicht beides und kommt zum Ergebnis, dass (1) das Sabbat-Gebot im Koran nicht aufgegriffen wurde, da Moslems den Freitag als Feiertag nutzen (S. 74), (2) dass es zwei Gebote gibt, die nicht eindeutig im Koran beantwortet werden (keine anderen Götter, nicht töten), aber (3) dass die anderen Gebote auch im Koran auftauchen. Mohammed bleibt für Morton ein Plagiator. Interessant an diesem Punkt ist das Morton Woodberrys Ausführungen zu einer Annäherung an den Islam bis auf den Artikel von John Wilder im Jahre 1977 zurückführt: Some Reflections on Possiblities for People Movements Among Muslims (Missiology 1977). Das Ganze stellt für Morton einen inzwischen lange währenden und gefährlichen Paradigmenwechsel in der evangelikalen Theologie dar.
Danach geht Morton auf das Verständnis von Umkehr und Bekehrung und Christianisierung ein (Kapitel 11). Er sieht das Hauptanliegen der Befürworter von Insider Movements darin, um jeden Preis eine Christianisierung oder im schlimmsten Fall Verwestlichung von gläubigen Jesusnachfolgern aus dem Islam vermeiden zu wollen (S. 88-90). Morton verdeutlicht, dass diese Grundannahme falsch sei, da ein Bekehrter nicht Namens-Christ, sondern ein wahrer Christusnachfolger wird, der sich beliebig benennen könne, aber eben zu „Christus“ gehört. Dabei spielen kulturell-religiöse Argumente nur eine untergeordnete Rolle. Zum Abschluss schließt Morton mit einer klaren Absage an die Insider Movements als Teil des wahren Christentums (Kapitel 12).
Erwähnenswert sind noch die zwei Appendixes. Appendix 1 enthält eine Grundsatzerklärung von Bassam Madany gegen die Initialisierung von Insider Movements als einem westlichem Produkt. Appendix 2 ist eine Untersuchung von Roger Dixon zu Insider Movements in West Java, Indonesien. Roger Dixon hat die Bewegung (auch in Bangladesch) teilweise mit begleitet und kommt zu dem Schluss, dass es sich um ein falsches Evangelium und einen falschen Ansatz handelt, der viele Gräben aufgetan statt geschlossen hat.
Dieses Buch ist hilfreich, um sich ein Bild zur Theologie und Missiologie von Befürwortern und Gegnern des Insider Movement Ansatzes zu machen. Es ist an manchen Stellen ironisch, bzw. sarkastisch negativ, was dem „evangelikal-bibeltreuen“ und „konservativen“ Verständnis des Autors entspricht. Wenn eine theologisch Annäherung an den Islam – und das ist der Casus Knacksus in dieser Diskussion – nicht gewünscht wird, dann kommt man zu solchen Schlüssen. Vor allem die Auseinandersetzung zwischen Schrift und Koran machen diese Studie zu einem Hilfsmittel für apologetische Untersuchungen. Zum Schluss sollte noch gesagt werden, dass die Überbetonung eines westlichen Einflusses bei der Bildung von Insider Movements nicht die ganze Wahrheit abbildet. Teilweise stießen christliche Entwicklungshelfer in der islamischen Welt auf bereits existierende Kreise von Messiasnachfolgern derer sie sich annahmen. Letztere Entwicklung taucht jedoch bei Morton nicht auf.